Anatomie und Zeichentechnik: Tiger realistisch darstellen
Ich bin die größte wilde Katze, Reittier eines Hindu-Gottes und eine der emblematischen Figuren aus Rudyard Kiplings Romanen
– ich bin der Tiger!
In diesem Artikel lernen Sie, wie Sie diesen majestätischen Jäger Schritt für Schritt zeichnen.
DIE ANATOMIE DES TIGERS
Der Tiger ist die größte unter den wilden Katzenarten. Es existieren mehrere Unterarten, deren Unterschiede in Verhalten oder Größe gering ausfallen. Er zählt zu den größten Landraubtieren, direkt hinter einigen Bären. Der Rekordhalter ist ein sibirischer Tiger mit 384 kg (Quelle: Wikipedia).
Verglichen mit dem Löwen ist der Tiger länger gebaut, massiv und zugleich anmutig. Wer sich den Löwen bereits angesehen hat, wird viele Parallelen erkennen: Wie man einen Löwen zeichnet.
DAS SKELETT DES TIGERS
Beginnen Sie mit der Beobachtung des Skeletts.

Beginnen Sie mit der Beobachtung des Skeletts. Wie bei allen Säugetieren sind die Gliedmaßen des Tigers ähnlich aufgebaut wie beim Menschen. Der Tiger ist digitigrad, das heißt, er läuft auf den Zehen, wie unsere Hauskatzen. Dies ist wichtig für die korrekte Platzierung der Pfoten und Gelenke.
Der Rücken ist relativ gerade. Die Schulterknochen erzeugen ein leichtes Volumen über der Wirbelsäule, das Hinterteil ist etwas höher als der Vorderkörper. Die Gelenke von Ellbogen und Knie liegen auf Höhe der Bauchlinie.
Beim schnellen Abdecken des Skeletts lassen sich die Hauptmassen erkennen:
- Kopf (blau): kompakt mit leicht gewölbter Stirn
- Hals (rosa): breit
- Schultern und Hüften (grün): muskulös
- Oberkörper (orange): tiefer Brustkorb
- Schwanz (rot): sehr lang
Die Brustregion und der obere Teil der Beine bilden ein Rechteck (A), das leicht größer ist als das Rechteck der unteren Beine (B).

DER TIGERSCHÄDEL
Studieren Sie den Schädel aus Vorder- und Seitenansicht:

Vorderansicht: Die unteren Fangzähne liegen innen, die oberen etwas nach außen. Die Augenhöhlen befinden sich zwischen den Stirnlinien, Nase und Zähne bilden den breiten Schnauzenbereich.
Seitenansicht: Das Auge liegt leicht vor der Mitte des Schädels, die unteren Fangzähne überragen die oberen leicht. Ein Kreis um den Schädel hilft, die Proportionen zu erfassen.
DEN TIGERKOPF VON VORNE ZEICHNEN

Bild A wird unsere Referenz sein.
Bild B – Kopf und Ohren
Die blauen Linien umranden die Schnauze, sodass dieser Bereich klar freigelegt wird. Die grünen Linien umfassen den gesamten Maulbereich. Sie können beobachten, dass die Augen sich zwischen den blauen und grünen Linien befinden.
Ein rotes Dreieck, das im Inneren des Auges beginnt und bis zu den oberen Grenzen des Kopfes reicht, dient zur Platzierung des Ohrs. Die Ohren sind rund, mit einer leichten Unregelmäßigkeit an der äußeren Unterseite. Innen sind sie dicht mit hellem Fell bedeckt, von hinten wirken sie schwarz mit einem deutlichen weißen Fleck.
Bild C – Fellfarbe ohne Streifen
Die Grundfarbe des Fells ist fahlgelb, die Wangen, der Hals und der Bereich über den Augen sind deutlich heller. Die Schnauze ist schwarz umrandet und durch einige hellere Bereiche betont. Sie ähnelt der Schnauze einer Katze, mit einer leichten Welle oben und tiefen Nasenlöchern. Die Nasenspitze ist rosa, manchmal mit vereinzelten schwarzen Punkten.
Bild D – Die Streifen
In diesen Schemata werden die Streifen isoliert dargestellt. Neben den gut sichtbaren, tiefschwarzen Befestigungen der Schnurrhaare auf dem oberen Teil des Mauls lassen sich drei Hauptbereiche identifizieren:
Um die Augen herum verlaufen ähnliche Markierungen: drei Flecken oberhalb des Auges, ein größerer länglicher Fleck entlang des äußeren Augenrands und eine Markierung unterhalb des Auges.
Violette Flecken umrahmen die Kieferpartie auf den Wangen.
ALLGEMEINE KÖRPERANSICHT VON DER SEITE

Das Bild A wird unsere Referenz sein.
- Vorder- und Hinterbeine unterhalb der Bauchlinie
- Oberes Rechteck des Körpers etwas breiter als das untere
- Weißes Fell an Pfoten, Bauch, Schwanz und inneren Beinen
- Streifen entlang Rücken, Flanken, Beine und Schwanz
ALLGEMEINE KÖRPERANSICHT VON OBEN
Hier ermöglicht uns die Draufsicht, die Zusammensetzung der Rückenlinien besser zu beobachten.

Schema A – Draufsicht
Dieser Blickwinkel ermöglicht es Ihnen, die langgestreckte Form des Tigers gut zu erkennen. Bei 1 sehen Sie die Masse der Schulter und Vorderpfote, bei 2 zeichnet sich der Brustkorb in der Form der Flanke ab, und bei 3 erkennen Sie die Masse der Hinterpfote.
Schema B – Ohne Streifen
Hier sehen Sie das Tier ohne Streifen. Weißes Fell zeigt sich an den Ohren, am Schwanz und über den Augen. Außerdem lassen sich Aufhellungen an den Flanken und Beinen erkennen. Der obere Rückenbereich ist etwas dunkler.
Die kondensierte Form des Schädels wird deutlich, der im roten Kreis markiert ist.
Schema C – Fellmuster
Nun betrachten wir nur die Streifen. Das Muster des Fells wird entlang der Wirbelsäulenachse (in Rot) aufgebaut. Beachten Sie, dass die Streifen nicht vollkommen symmetrisch verlaufen.
Ein Überblick über das Fell: Die Grundfarbe reicht von bernsteinfarbenem Gelb bis Dunkelorange, die Streifen sind schwarz. Die helleren Bereiche variieren von Creme bis Reinweiß. Je nach Unterart unterscheiden sich Dicke, Anzahl und Anordnung der Streifen leicht – sie sind nie perfekt spiegelbildlich.
DEN TIGER ZEICHNEN - SCHRITT FÜR SCHRITT
Wir wählen eine etwas anspruchsvolle Ansicht: Der Tiger wird von der Seite, leicht nach vorne versetzt, gezeichnet, mit einer gebeugten Pfote in perspektivischer Ansicht.
Bein B1 berührt den Boden, Bein A1 ist etwas „verdrängt“ und schwieriger zu zeichnen. Bein B2 ist leicht zurückgesetzt – bei einer Animation wäre es das nächste, das sich hebt. Wir zeichnen einen Sibirischen Tiger, etwas größer als andere Unterarten, mit dichtem Fell am Hals und Bauch.

Los geht's!

Schritt 1: Zeichnen Sie die Linie oben am Kopf.
Schritt 2: Zeichnen Sie die Rückenlinie und das Volumen des Kopfes, formen Sie das Maul auf runder Basis leicht vor.
Schritt 3: Platzieren Sie die Volumen der Beine entlang des Rückens.
Schritt 4: Skizzieren Sie die Beine grob – beachten Sie, dass Ellbogen- und Kniegelenke unterhalb der Bauchlinie liegen. Zeichnen Sie den langen, leicht gebogenen Schwanz.

Schritt 5: Platzieren Sie die Knochen der Beine zur Überprüfung der Struktur.
Schritt 6: Zeichnen Sie die Schnauze, die Augen (ungefähr in der Mitte der Kopflänge) und die Ohren (beginnend vom inneren Augenwinkel). Die Stirn sollte breit und frei bleiben.
Schritt 7: Ziehen Sie die sauberen Konturen über die Skizzenlinien. Deuten Sie mit Schraffuren das lange, dichte Fell an Wangen, Hals und Bauch an. Zeichnen Sie die leicht hängende Kurve der unteren Lefze.
KOLORIERUNG

Schritt A: Grundfarbe flaches, dunkles Orange auftragen. Schwanz korrigieren, sodass keine Dickenvariation entsteht.
Schritt B: Helle Bereiche auf Bauch, Innenseiten der Beine, Schwanz, Hals, Wangen, Kinn, Oberkiefer, Oberseite der Augen und Ohren aufhellen.
Schritt C: Streifen nach Muster auftragen, Schnurrhaare ergänzen. Eventuell Wangenbereiche aufhellen.
Platzieren Sie den Tiger in einem winterlichen Szenario: Pfoten leicht in Schnee drücken, Rücken, Stirn und Schnauze mit einer dünnen Schneeschicht bedecken. Beleuchtung von oben wählen, Schatten auf Tier und Boden setzen. Einige Schneeflocken vor das Motiv setzen.

Fertig!
Beobachtung und Praxis bleiben unverzichtbar. Mit dem Wissen über den allgemeinen Aufbau des Tigers sind Sie nun gut vorbereitet, einen Tiger realistisch zu zeichnen.
Ganz viel Spaß!
Illustratorin und Redakteurin: Elo Illus