Wie man ein Einhorn zeichnet - Schritt für Schritt

Willkommen im Bestiarium der Mythen und Legenden!

Heute tauchen wir in die faszinierende Welt der Einhörner ein und verbringen einige kreative Momente mit diesem legendären Wesen. Auch wenn Einhörner in der Natur schwer zu beobachten sind, gibt es bestimmte Gestaltungsprinzipien, die sich beim Zeichnen bewährt haben – und genau diese werden wir gemeinsam erkunden.

 

DIE LEGENDE DES EINHORNS

 

 

Die genaue Herkunft des Einhornmythos ist nicht eindeutig belegt. Allgemein wird jedoch angenommen, dass diese Fantasiegestalt aus Reiseberichten von Entdeckern entstand, die Tiere wie Nashörner oder Antilopen beschrieben. Das Einhorn wurde vom Mittelalter bis zur Renaissance zu einem zentralen Symbol im christlichen Abendland.

Gegen Ende des Mittelalters kristallisierte sich seine ikonische Form heraus: ein weißes Tier mit dem Körper eines Pferdes, manchmal aber auch mit Merkmalen einer Ziege – wie gespaltene Hufe und ein Ziegenbart. 

Wenn Sie mehr über die Ursprünge, Entwicklung und Symbolik des Einhorns erfahren möchten, lade ich Sie herzlich ein, sich weiter mit der faszinierenden Geschichte dieser Kreatur zu beschäftigen.

 

DAS PFERD ALS GRUNDLAGE ZUM ZEICHNEN DES EINHORNS

In der Regel hat das Einhorn einen pferdeähnlichen Körper – manchmal sogar mit allen typischen Merkmalen eines Pferdes. Ich betone dabei „in der Regel“, denn letztlich handelt es sich beim Einhorn um ein Fantasiewesen. Das bedeutet: Sie dürfen seine Silhouette ganz nach Ihren eigenen Vorstellungen verändern.

Im Folgenden widmen wir uns nun einem kurzen „Pferde“-Abschnitt, wobei ich betonen möchte, dass dies kein ausführlicher Artikel über Pferde ist – deshalb gehe ich hier nicht allzu sehr ins Detail. Wenn Sie jedoch mehr über den Aufbau und das Zeichnen von Pferden erfahren möchten, empfehle ich Ihnen unseren gesonderten Artikel zu diesem Thema: Lernen, ein Pferd zu zeichnen.

 

Schema A

Wie viele andere Tiere besitzt auch das Pferd – und damit oft auch das Einhorn – eine Beinstruktur, die grundsätzlich der des Menschen ähnelt. Die einzelnen Segmente sind allerdings anders angeordnet. Während wir Menschen Sohlengänger sind, bewegt sich das Pferd auf den Zehenspitzen und gilt daher als spezieller Zehengänger.

In der schematischen Darstellung erkennen Sie auch die Gelenkverbindungen, die die äußere Form des Tieres wesentlich beeinflussen (→ siehe schwarze Pfeile):

1: An dieser Stelle entsteht eine deutliche Kurve durch die Verbindung zweier Knochen.
2: Der Hüftknochen bildet eine kleine Spitze, von der aus die Wirbelsäule wieder abfällt und schließlich in den Schweif übergeht.
3: Das sogenannte „Knie“ tritt leicht hervor.
4: Auch der Knöchelknochen ist deutlich sichtbar.

 

 

Schema B

Um den Körper des Einhorns besser zu verstehen und zeichnerisch zu vereinfachen, können Sie ihn in farblich getrennte Massen unterteilen:

Blau: der Kopf – vereinfacht als dreieckige Form
Grün: der lange Hals
Rosa: die Muskelmasse der Vorderbeine
Violett: die kräftigen Oberschenkel
Rot: der Rumpf

Wenn Sie die Muskeln der Beine und den Brustkorb in einem groben Umriss zusammenfassen, ergibt sich ein längliches Rechteck [1]. Ergänzen Sie die Beine, entsteht daraus ein weiteres Rechteck [2], das fast quadratisch wirkt. Dabei ist das Rechteck mit den Beinen [2] ein wenig höher als das reine Rumpfrechteck [1].

Diese Vereinfachung hilft Ihnen, die Proportionen des Einhorns besser zu erfassen und harmonisch darzustellen – besonders bei einer späteren Pose oder Bewegung.

 

Schema C

Um das Einhorn leichter zeichnen zu können, empfiehlt es sich, die einzelnen Körperteile auf einfache Grundformen zu reduzieren:

Der Kopf lässt sich als gebogenes Dreieck darstellen. Innerhalb dieses Dreiecks befinden sich zwei Hauptmassen:

- ein Kreis im Bereich von Mund und Nasenlöchern
- sowie ein länglicher Kreis, der die Wange andeutet

Der Hals kann als Kegelform gezeichnet werden, die sich sanft nach unten hin verbreitert.
Die Vorderbeine zeigen deutlich erkennbare Muskelmassen, die sich grob als birnenförmige, leicht dreieckige Fläche erfassen lassen. Vergessen Sie nicht, dabei die markanten Gelenkverbindungen (z. B. an Punkt 3) einzuzeichnen.
Die Rückenlinie verläuft sanft abfallend von den Schultern zur Hüfte, steigt an der Hüftspitze (Punkt 4) leicht an und fällt dann wieder ab.

Der Schwanz setzt sich in Verlängerung der Wirbelsäule fort und schließt harmonisch an die Rückenlinie an (siehe Punkt 5).
Die Beine bestehen jeweils aus zwei markanten Gelenken, die Sie mit einfachen Kreisen andeuten können – so gewinnen Sie mehr Kontrolle über Proportionen und Haltung.
Diese Reduktion auf geometrische Formen hilft Ihnen dabei, die Gesamtstruktur Ihres Einhorns sicher aufzubauen – bevor Sie mit den Details und dem Feinschliff beginnen.

DER KOPF IM DETAIL

Schema A

Die Stirn eines Einhorns ist in der Regel gerade, aber es kann – je nach Fantasie oder Vorlage – leichte Unregelmäßigkeiten im Profil geben. Besonders zwei Bereiche sind dabei interessant:

Augenbereich (Rosa): Hier besitzen manche Pferderassen eine leichte Einwölbung oder Wölbung. Bei Araberpferden ist diese besonders deutlich ausgeprägt.
Nasenpartie oberhalb der Lippen: Dieser Bereich liegt nicht direkt auf einem Knochen auf und kann daher optisch etwas „eingesunken“ wirken – ein Detail, das Sie für mehr Ausdruck gezielt einsetzen können.

Weitere markante Punkte:

Ohren (Blau): Diese sitzen sehr hoch auf dem Kopf. Sie können sie spitz zulaufend und beweglich darstellen.
Sehnenansatz (Violett): Eine kleine Krümmung hinter dem Ohr deutet die Sehne an, die dem Ohr seine Beweglichkeit gibt.
Nasenlöcher (Grün): Sie verlaufen entlang der Seiten des Kopfes und können sich mit dem Auge auf einer horizontalen Linie befinden.
Übergang zum Hals (Orange): Der Hals beginnt leicht versetzt unterhalb des Unterkiefers. Achten Sie hier auf das Volumen des Kiefers – es gibt dem Tier mehr Ausdruck und Körperlichkeit.

 

Schema B

Wenn Sie den Kopf in einfache Proportionen unterteilen, hilft das, die Platzierung der Details zu strukturieren:

Das Auge befindet sich im ersten Viertel der Kopflänge (hellblaue Linie).
Es liegt auf einer Höhe mit dem Nasenloch (grüne Linie), doch seine Blickachse verläuft in einem spitzen Winkel zur Stirnlinie (orange Linie).
Die gesamte Kopfform ergibt ein leicht gebogenes Dreieck mit abgerundeten Spitzen.
Die beiden wichtigsten Massen sind:

Rosa: die Schnauze bzw. der Nasen-Lippen-Bereich
Violett: die Wangenmasse
Eine kleine Unregelmäßigkeit (Rot) im Bereich der Unterlippe verleiht dem Gesicht zusätzliche Tiefe und Individualität.

Aus anderen Blickwinkeln verändert sich die Wirkung des Kopfes:

Die Gesamtkopfform erinnert nun eher an zwei verbundene Kugeln:

die Schnauze (unten, Rosa)
die Wange (oben, Violett)
Zusammen ergeben sie ein sanft zulaufendes Dreieck.
Auge und Nasenloch bleiben auch hier auf derselben horizontalen Achse (Grün).
Die Ohren (Rot) sind hoch angesetzt, von vorne gut sichtbar und leicht nach außen geneigt.
In der ¾-Ansicht behalten Sie die gleiche Anordnung bei, jedoch mit perspektivischer Verkürzung auf der abgewandten Seite.

 

DIE HUFE DES EINHORNS

Wie eingangs erwähnt, wurde das Einhorn in der Kunstgeschichte und in alten Erzählungen oft mit Ziegenhufen dargestellt – eine spannende gestalterische Entscheidung, die Ihnen offensteht. Wenn Sie möchten, können Sie sich aber ebenso für klassische Pferdehufe entscheiden. Beide Varianten sind legitim, je nachdem, welchen Charakter Ihr Einhorn erhalten soll.

Ein Pferd hat einen Huf aus einem einzigen Stück, eine robuste, harte Struktur.
Von hinten betrachtet ist der Huf in der Mitte leicht ausgehöhlt – ein wichtiges Detail für eine glaubwürdige Darstellung.
In der Zeichnung wirkt er stabil, massiv und gut geeignet für offene Ebenen und schnelles Laufen.

Ziegen besitzen sogenannte gespaltene Hufe: zwei voneinander unabhängige Hornteile.
Diese Struktur bietet exzellente Haftung, besonders in unwegsamem Gelände – wie man es von Gebirgstieren wie dem Mufflon kennt.
Wenn Sie Ihrem Einhorn einen leicht wilden, anmutig-kletternden Charakter verleihen möchten, sind Ziegenhufe eine interessante Wahl.

Egal für welche Hufart Sie sich entscheiden: Vergessen Sie nicht, das unterste Gelenk des Beins darzustellen – es befindet sich nicht dort, wo das menschliche Handgelenk wäre, sondern entspricht dem Gelenk vor der ersten Fingerphalanx (violetter Kreis in der Vorlage).

 

 

FLÜGEL ZEICHNEN

Vielleicht möchten Sie Ihrem Einhorn Flügel verleihen – warum nicht? Auch wenn es in der klassischen Darstellung eher selten vorkommt, eröffnet diese Wahl faszinierende Möglichkeiten. Schließlich handelt es sich um ein Fantasiewesen, und Ihrer Kreativität sind keine Grenzen gesetzt.

 

Zeichnung links:

Der Flügel eines Vogels (und damit auch eines geflügelten Einhorns) besteht aus drei knöchernen Segmenten, die wie ein verlängerter Arm aufgebaut sind. Ein viertes Segment (in Blau dargestellt) besteht ausschließlich aus Federn und stellt eine Verlängerung des letzten Knochens dar.

 

Zeichnung rechts:

Um den Flügel einfach darzustellen, können Sie ihn in drei Federzonen unterteilen:

Blau: Segment 1 – Federn, die die Knochen selbst bedecken und ihrer Form folgen.
Grün: Segment 2 – mittelgroße Federn, die sich entlang des äußeren Flügelrands ziehen.
Violett & Rosa: Segment 3 – die größten Federn:

In Violett (nahe am Körper) sind sie lang und zugespitzt,
in Rosa (weiter außen) etwas kürzer und kantiger.

Diese Einteilung unterstützt Sie dabei, realistische und elegante Flügel zu entwerfen – ganz gleich, ob diese weit geöffnet, leicht gefaltet oder im Flug gezeigt werden.

 

 

 

Sie haben grundsätzlich zwei Möglichkeiten, wo Sie die Flügel am Einhorn platzieren:

An der Schulter (grüner Bereich) – ergibt ein eher vogelartiges Wesen.
Weiter hinten am Rücken (rosa Bereich) – bietet sich an, wenn Sie z. B. einen Reiter darstellen möchten, der vor den Flügeln sitzt.

Wichtig: Achten Sie auf eine ausreichend große Flügelspannweite. Selbst bei einem magischen Wesen wirkt es wenig glaubhaft, wenn es mit winzigen Flügeln fliegen soll. Große, ausladende Flügel verstärken den majestätischen Eindruck Ihres Einhorns deutlich.

 

DAS HORN ZEICHNEN

 

Das Horn ist das markanteste Merkmal Ihres Einhorns und bietet viel Raum für kreative Gestaltung. Sie können ganz klassisch oder ganz originell vorgehen – ganz wie es Ihnen gefällt.

Klassische Varianten
Variante A: Das klassische, gerade und spiralförmige Horn, ähnlich dem eines Narwals. Diese Form ist elegant und vermittelt das typische Bild eines Einhorns.

Variante B: Ein gebogenes Horn, das eher an das eines Nashorns erinnert. Es wirkt kraftvoller und etwas massiver.

Variante C: Warum nicht mehr als ein Horn? Sie können Ihrem Einhorn auch mehrere Hörner verleihen und mit deren Formen, Anordnung und Länge spielen. So entsteht ein ganz individuelles Fabelwesen.

 

EIN EINHORN SCHRITT FÜR SCHRITT ZEICHNEN

Sie zeichnen heute ein Einhorn, das an ein Pferd erinnert, aber mit ganz eigenen Details – ein magisches Wesen, dessen Gestalt Sie frei gestalten können. Ich entscheide mich hier für ein pferdeähnliches Einhorn mit Ziegenhufen, gezeigt in ¾-Hintersicht. Der Kopf wird leicht gedreht und im Profil dargestellt.

Los geht's...

 

Schritt 1: Kopf skizzieren
Beginnen Sie mit dem Kopf, einer Dreiecksform. Darin fassen Sie die beiden „Kugeln“ zusammen: die Schnauze (für Nase und Lippen) und die Wangenpartie.

Schritt 2: Hals zeichnen
Fügen Sie den Hals an, der sich allmählich zu den Schultern hin verbreitert. Achten Sie auf kleine Details, wie die Schulterwölbung und die Halsfalte unter dem Unterkiefer.

Schritt 3: Rückenlinie anlegen
Zeichnen Sie die Rückenlinie: sie fällt sanft von den Schultern ab, steigt an der Hüftspitze wieder an und fällt dann zum Schwanz hin wieder ab. Markieren Sie die Muskelmassen über den Beinen.

Schritt 4: Beine und Gelenke ansetzen
Zeichnen Sie die Beine mit der markanten Skelettstruktur. Setzen Sie die Gelenke als kleine Kreise: „Knie“ (braun), „Knöchel“ (rot) und „Ellbogen“ (orange).

 

 

Schritt 5: Gesichtselemente positionieren
Platzieren Sie das Auge im ersten Viertel der Kopflänge. Es steht auf einer Linie mit dem Nasenloch, seine Blickachse verläuft leicht schräg. Zeichnen Sie auch den Schweif als Verlängerung der Wirbelsäule.

Schritt 6: Details ausarbeiten
Skizzieren Sie das Auge, das Nasenloch, die Mähne und setzen Sie das Horn auf die Stirn.

Schritt 7: Feinheiten und Boden
Überarbeiten Sie alle Linien, fügen Sie Details und Texturen hinzu. Zeichnen Sie Schatten auf den Boden, um das Einhorn fest zu verankern.

 

DIE FARBGESTALTUNG DER ZEICHNUNG

 

A: Wählen Sie für das Fell ein helles, gebrochenes Weiß. Ein farbiger Hintergrund hebt das Einhorn hervor.
B: Mähne und Schweif können neutral in Grau gehalten werden. Die Hufe sind leicht graubraun, die Augen dunkelgrün. Das Horn erhält die Grundfarbe des Fells.
C: Platzieren Sie weiche Schatten, das Licht kommt von oben links.
D: Setzen Sie weiße und graue Lichtreflexe auf Fell, Mähne, Hufen und Augen. Verstärken Sie die Schatten im Bereich des Hinterteils und auf dem Boden.

 

Wenn Sie möchten, können Sie Ihrem Einhorn einen kleinen Ziegenbart hinzufügen, um ihm eine zusätzliche individuelle Note zu verleihen.

 

Gehen Sie das Zeichnen mit Freude und Kreativität an! Spielen Sie mit Formen, Farben und Details – es ist Ihr magisches Wesen. Lassen Sie sich von klassischen Vorstellungen inspirieren, aber fühlen Sie sich frei, alles nach Ihren Vorstellungen zu verändern.

 

Illustratorin und Redakteurin: Elo Illus