Zeichnen mit Tusche - So funktioniert ‚Inking‘
Hallo zusammen! Heute werden wir uns einem wichtigen Schritt beim Zeichnen widmen: dem Inking. Dieser Schritt ist oft entscheidend, wenn es darum geht, eine Skizze in ein fertiges Kunstwerk zu verwandeln. Wir werden gemeinsam entdecken, wozu es dient, welche Materialien benötigt werden und - das wichtigste - wie Sie es erfolgreich umsetzen können.
Also: Schnappen Sie sich Ihre Stifte, Ihr Papier oder Ihr Tablet - und natürlich Ihre Kreativität! Los geht’s!
INKING, WAS IST DAS?
Inking bedeutet auf Deutsch so viel wie Tuschezeichnung und bezeichnet – wie der Name schon sagt – den Prozess, bei dem die Umrisse und einzelne Texturlinien einer Zeichnung mit Tinte nachgezogen werden. Das Ergebnis ist meist deutlich klarer, kontrastreicher und präziser als eine einfache Bleistiftskizze.
Die Technik des Tuschezeichnens reicht bis ins Mittelalter zurück: Damals arbeiteten Schreiber und Illustratoren mit Tusche und Feder, um Konturen, Licht- und Schatteneffekte sowie Details in Buchillustrationen herauszuarbeiten. Im Laufe der Zeit hat sich die Technik immer weiter verbreitet und wurde vor allem im Bereich von Comics, Comicstrips und Mangas zum Standard.
Heute kennt man das Inking auch unter dem Begriff „Line Art“, was wörtlich übersetzt „Linienkunst“ bedeutet – also die Kunst, mit reinen Linien Formen und Inhalte auszudrücken.

Inking wird auch häufig in farbigen Illustrationen verwendet, um der Zeichnung Definition zu verleihen. Anders als bei malerischen Techniken ermöglicht es diese Vorgehensweise, mit einfachen, klar abgegrenzten Farbebenen zu arbeiten. So wird der Colorierungsprozess erleichtert, während gleichzeitig ein harmonisches und ausdrucksstarkes Gesamtbild entsteht.

Es gibt nicht nur einen einzigen Inking-Stil. Obwohl die Techniken ähnlich sind, ist der Line-Art-Stil jedes Künstlers deutlich erkennbar, wie Sie in den untenstehenden Beispielen sehen können. Experimentieren Sie ruhig, um die Inking-Technik zu finden, die Ihnen am meisten Spaß macht und die am besten zu Ihren Zeichnungen passt.

MATERIALIEN
ZUSÄTZLICHE MATERIALIEN
Bevor wir uns den verschiedenen Methoden zum Inken widmen, hier einige sehr nützliche Materialien für das Tuschezeichnen im traditionellen Stil:
- Ein Knetradiergummi dient dazu, die Linien der Skizze behutsam abzuschwächen
- Ein klassischer Radiergummi ermöglicht Ihnen ein sauberes Radieren nach dem Inken
- Ein Leuchttisch ist ideal für hochwertige Tuschezeichnungen. Er ermöglicht es, auf einem frischen Blatt Papier zu arbeiten – ganz ohne störende Unebenheiten durch Radierungen oder Bleistiftstriche. Sollte einmal ein Fehler passieren, lässt sich problemlos von vorn beginnen, ohne die ursprüngliche Skizze zu beschädigen.

FINELINER
Fineliner gehören wahrscheinlich zu den häufigsten und bekanntesten Werkzeugen für Outlines. Es gibt sie mit verschiedenen Spitzenstärken – von sehr fein bis kräftig – sowie mit unterschiedlichen Tintenarten (z.B. auf Alkoholbasis oder mit Chinatusche). Sie bieten gleich mehrere Vorteile: Fineliner sind in der Regel kostengünstig, die Tinte ist deckend, glänzt nicht und verschmiert nicht beim Radieren. Dank der großen Auswahl an Spitzenstärken eignen sie sich für nahezu jede Art von Tuschezeichnung – von feinsten Details bis hin zu kräftigen Konturen.

Fineliner werden oft für Anfänger empfohlen, da sie sehr einfach zu handhaben sind und es ermöglichen, sehr präzise Tintenzeichnungen ohne zu große Schwierigkeiten zu kreieren.

BUNTE FINELINER
Bunte Fineliner sind zwar etwas weniger verbreitet, bieten aber dieselben Vorteile wie klassische Fineliner. Einziger Unterschied: Es ist oft schwieriger, verschiedene Spitzengrößen zu finden – insbesondere dicke Spitzen sind seltener erhältlich.

Farbige Fineliner eignen sich besonders gut für farbige Illustrationen. Für ein optimales Ergebnis ist es empfehlenswert, harmonische Farben passend zu den verschiedenen Farbnuancen der Zeichnung zu wählen. Das Resultat kann sehr beeindruckend sein, erfordert allerdings auch mehr Zeit und Sorgfalt beim Inken.

DIE FEDER
Die Feder zählt zu den bekanntesten Tintenwerkzeugen und wird vor allem von Mangaka intensiv genutzt. Es gibt zwei Hauptkategorien: Der Füller mit eingebauter Tintenpatrone und die Zeichenfeder mit separaten Tintenfässern. Es gibt eine große Vielfalt an Federformen, die sich für unterschiedlichste Strichstärken und Zeichenstile eignen, sowie zahlreiche Tintenarten und -farben.
Obwohl die Anschaffung einer Feder zunächst teurer sein kann, ist sie auf lange Sicht oft wirtschaftlicher – zudem ermöglicht sie die flexible Verwendung verschiedenster Tinten und Farbtöne.

Der Federhalter ist schwieriger zu handhaben als ein Fineliner, jedoch ist er ein sehr geschätztes Werkzeug für die Präzision seiner Tinte und die Qualität des Ergebnisses. Man muss jedoch auf mehrere Dinge achten: Tintenkleckse können Ihre Zeichnung schnell verschmutzen, da die Feder leicht tropft. Außerdem braucht die Tinte eine Weile zum Trocknen und kann verschmieren, wenn Sie darüber radieren oder mit der Hand darüberfahren.

DIGITALES INKING
Digitales Outlinen ist zweifellos die einfachste Methode zum Inken: Es gibt eine große Auswahl an Brushes, mit denen Sie das gewünschte Ergebnis erzielen können. Der Druck lässt sich dabei ganz einfach steuern, wodurch Sie die Feinheit oder Dicke der Linien genau bestimmen können. Außerdem können Sie Ihre Outlines ganz leicht einfärben.

Die digitale Tuschezeichnung bietet viele weitere Vorteile: Linien, die Ihnen nicht gefallen, lassen sich problemlos radieren. Dank der Zoomfunktion können Sie Details viel einfacher ausarbeiten, und durch die Arbeit mit Ebenen können Sie direkt über Ihre Skizzen tuschen – das ist deutlich schneller und einfacher als manuelles Radieren oder die Nutzung eines Leuchttisches.

DIE STRICHSTÄRKE
Kommen wir nun zum Kern der Sache! Unter „Pleins“ und „Déliés“ versteht man die Variationen in der Strichstärke beim Tuschezeichnen. Diese Unterschiede im Linienverlauf verleihen der Zeichnung Dynamik und sorgen dafür, dass das Inking lebendiger und plastischer wirkt.
„Pleins" (die dickeren Striche) werden in der Regel verwendet, um Schattenbereiche hervorzuheben, während „Déliés" (die dünneren Striche) einen hellen oder feinen Bereich betonen.
Das Zeichnen von Strichstärken und Schnörkeln ist zweifellos einer der technischsten Aspekte des Tuschens, da sie eine gute Fingerfertigkeit und eine gute Kontrolle des Drucks und/oder der Krümmung des Stifts erfordern.
Wenn Sie Schwierigkeiten haben, die Technik anzuwenden, empfehle ich Ihnen, zunächst mit abstrakten Formen (wie auf der linken Seite) zu üben, bei denen Sie die Linienstärke möglichst fließend variieren.

Wie Sie in den untenstehenden Beispielen sehen können, gibt es nicht nur eine einzige Art und Weise, Strichstärken und -arten zu verwenden. Einige Künstler wählen dicke Linien für die äußeren Outlines und feine Linien für die inneren Details (Zeichnung in der Mitte). Andere wiederum nutzen dicke Linien, um Schatten anzudeuten, und feine Linien, um Licht zu suggerieren (Zeichnung rechts).

DIE STRICHFÜHRUNG
Für ein erfolgreiches Inking ist eine sichere und präzise Strichführung entscheidend. Fehlt diese, kann die Qualität Ihrer Tuschezeichnung leiden oder sogar ungeschickt wirken.
Deshalb sollten Sie auf die Qualität Ihres Strichs achten:
- Vermeiden Sie haarige Striche, die einen Skizzen-Effekt erzeugen und den Eindruck einer unvollendeten Arbeit erwecken.
- Achten Sie auf gleichmäßige, fließende Linien ohne Unregelmäßigkeiten oder Flecken.
- Verhindern Sie unbeabsichtigte Verbindungen zwischen Linien, da dies Volumen und Konsistenz beeinträchtigen kann.
- Ziehen Sie die Striche möglichst flüssig und durchgehend.

Die Qualität Ihrer Linienführung lässt sich mit etwas Übung und Geduld leicht verbessern. Hier eine Übung, die ich Ihnen empfehle, regelmäßig durchzuführen, wenn Sie Ihre Strichführung verfeinern möchten:
- Setzen Sie zunächst zufällig Punkte auf ein Blatt.
- Verbinden Sie diese Punkte mit möglichst geraden Linien. Für eine größere Herausforderung können Sie dabei die Strichstärke variieren.
- Sobald Sie gerade Linien gut beherrschen, üben Sie Kurven und spielen mit der Linienbreite, um die Übung anspruchsvoller zu gestalten.
Diese Übung ist schnell gemacht und hilft Ihnen, Ihre Geschicklichkeit zu steigern. Trotzdem bleibt die beste Methode zur Verbesserung, Tuschezeichnungen direkt auf Ihren eigenen Skizzen zu üben.

SCHATTIERUNG
In Comics und Manga ist es üblich, schattierte Tuschezeichnungen zu sehen. Die Schattierung ist optional, verleiht der Zeichnung jedoch mehr Tiefe und Dimension. Schauen wir uns nun gemeinsam einige Grundlagen an.
Die Schwierigkeit beim Schattieren besteht darin, die Nuancen für mehr Tiefe zu variieren, ohne das Bild zu überladen. Dazu täuschen wir unser Auge, indem wir mit Rhythmen aus Linien oder Punkten spielen, deren unterschiedliche Dichte die Illusion verschiedener Grautöne erzeugt.
Es gibt viele Möglichkeiten, diese Illusionen zu schaffen, aber die verbreitesten sind:
1 - Striche
2 - Schraffuren
3 - Punkte

Diese Techniken sind ideal, da sie recht einfach zu handhaben sind. Sie können eine einzige verwenden oder verschiedene Techniken kombinieren, um dem Bild mehr Tiefe zu verleihen. Achten Sie jedoch darauf, dass die Schattierung lediglich ein Detail in Ihrem Inking-Prozess ist, um die Feinheit und die grundlegende Tiefe Ihrer Zeichnung zu bewahren.
Es ist ebenfalls wichtig, darauf zu achten, eine Konsistenz zwischen dem Volumen Ihrer Zeichnung und der Art und Weise, wie Sie Schattierungslinien/-punkte verwenden, zu bewahren. Zeichnen Sie sie immer in Richtung des Volumens Ihres Objekts, um dessen Form und Kontur hervorzuheben.

Hier sind einige Beispiele für Schattierungen mit Tusche. Sie sehen, wie die Schattierung der Zeichnung Tiefe verleiht und somit den Eindruck einer vollendeten Zeichnung vermittelt.

IHRE ZEICHNUNG TUSCHEN - SCHRITT FÜR SCHRITT
Jetzt, da wir die Theorie durchgegangen sind, schlage ich vor, das Ganze Schritt für Schritt praktisch umzusetzen.
- Ich habe gerade meine Skizze fertiggestellt. Sie weist noch einige Unvollkommenheiten auf, manche Details sind recht grob und die Linien wirken noch ziemlich „haarig“. Genau das werde ich beim Inking korrigieren.
- Beim traditionellen Tuschezeichnen wische ich meine Skizze mit einem Knetradiergummi aus oder arbeite mithilfe eines Leuchttisches auf einem frischen Blatt.
- Digital erstelle ich eine neue Ebene und reduziere die Deckkraft meiner Skizzierebene auf etwa 50 %.

Ich beginne meine Tuschezeichnung mit dem Kopf, doch das ist Geschmackssache. Sie können mit dem Teil der Zeichnung beginnen, der Ihnen am meisten zusagt. Ich persönlich finde es am einfachsten, an einem interessanten Punkt zu starten. Dabei achte ich darauf, einen flexiblen, lebendigen Strich zu führen, die Übergänge zwischen den einzelnen Linien sauber zu gestalten und die Variationen zwischen dicken und feinen Linien bewusst einzusetzen.

Ich fahre fort und arbeite mich Schritt für Schritt voran, indem ich jedes Tentakel einzeln mit Tinte nachzeichne. Ich konzentriere mich dabei auf einen Bereich nach dem anderen. Wenn Sie mit der Feder zeichnen, empfehle ich Ihnen, immer von der am weitesten entfernten Stelle Ihrer Hand bis zur nächsten zu arbeiten, um zu vermeiden, dass Ihre Tinte verschmiert.

Wie Sie sehen können, zeichne ich beim Inken nicht perfekt über meine Skizzenstriche. Ich versuche beim Inken meine Zeichnung zu verbessern, indem ich die Details verfeinere.

Ich radiere die Linien meiner Skizze so sauber wie möglich aus - mit einem Leuchttisch oder digital brauchen Sie diesen Schritt nicht.

Ich überprüfe noch einmal, ob mir meine Tuschezeichnung gefällt und passe die Strichstärke bei Bedarf an. Außerdem füge ich noch ein paar einfache Schattierungslinien hinzu.

Und schon ist meine Tuschezeichnung fertig – genau wie dieser Artikel!
Das Inking ist ein wichtiger Schritt, der Übung und Geduld erfordert, aber gleichzeitig auch ein sehr entspannender und oft geschätzter Teil des künstlerischen Prozesses ist. Ich hoffe, dieser Artikel hat Ihnen gefallen und hilft Ihnen dabei, Ihre eigenen Tuschezeichnungen erfolgreich umzusetzen!😊
Redakteurin und Illustratorin: Chloé Pouteau