Ein gruseliges Monster zeichnen - So gelingt es!
Heute geht es um ein etwas untypisches Thema: Wir beschäftigen uns mit Charakterdesign – und zwar mit einem Monster! Und nein, ich meine keine Cartoon-Monster. Ich spreche von Monstern, die wirklich Angst einflößen. Von solchen, denen man am liebsten nie begegnen möchte. Den echten Monstern!
Das Thema ist ziemlich komplex, denn es gibt viele verschiedene Herangehensweisen:
Man kann von etwas Bestehendem ausgehen und es so verzerren, dass es „monströs“ wirkt. Man kann sich auf die Suche nach ungewöhnlichen Silhouetten begeben, nach Formen, die aus dem Gewohnten herausstechen. Oder man vermischt verschiedene Elemente – etwa mythologische oder mittelalterliche Wesen wie die Manticore oder die Sphinx. Eine weitere interessante Methode besteht darin, ganz frei aufs Papier zu kritzeln – ohne Plan – und dann zu schauen, was sich aus den Linien herauslesen lässt. Manchmal ergibt sich dabei ein Monster, manchmal eine Figur, ein Tier oder etwas ganz anderes. Es ist ein spielerischer Ansatz.
Wenn Sie noch nicht so geübt darin sind, empfehle ich Ihnen, mit der ersten Methode zu starten: Etwas Bestehendes nehmen und es nach und nach in etwas Monströses verwandeln. (Empfindsame Gemüter, seien Sie gewarnt!)
Ich hatte Lust, einen alten Bekannten – den Hirsch, den wir schon einmal gezeichnet haben – als Grundlage zu nehmen. Falls Sie sich nicht mehr erinnern: Hier finden Sie den Artikel zum Thema Wie man einen Hirsch zeichnet.

DAS ZEICHNEN DES MONSTERS - SCHRITT FÜR SCHRITT
Ich hatte keine feste Vorstellung im Kopf, außer: Es muss richtig gruselig werden. Der Vorteil bei Monstern ist, dass sie nicht realistisch sein müssen. Im Gegenteil: Sie dürfen sogar völlig asymmetrisch sein – das ist oft sogar spannender.
Dieser Artikel gibt Ihnen keine exakte Anleitung, wie Sie exakt das gleiche Ergebnis erzielen. Vielmehr zeige ich Ihnen meinen kreativen Prozess – was ich teste, verforme, verwerfe, neu zusammensetze oder verschiebe – auf dem Weg zum endgültigen Design.
Vielleicht probieren Sie ja ebenfalls, die Hirschzeichnung als Ausgangspunkt zu verwenden und Ihr ganz eigenes Monster daraus zu machen. Ihre Ideen sehen bestimmt ganz anders aus als meine!
DIE HÖRNER ZEICHNEN
Das erste Detail, das meine Aufmerksamkeit erregt, sind die Hörner. Ich möchte sie nicht in ihrer ursprünglichen Form belassen. Stattdessen stelle ich sie mir wie Kiefer vor – mit schiefen, wild wachsenden Zähnen.

Die Position der Augen lasse ich zunächst unverändert – dafür verkleinere ich sie und füge Falten rundherum hinzu, um dem Gesicht mehr Tiefe zu geben.
DIE AUGEN DES MONSTERS

DEN HALS ZEICHNEN
Aus irgendeinem Grund hatte ich das Bedürfnis, dem Monster einen extrem dicken Hals zu verpassen – so wuchtig, dass er auf dem Boden schleift. Mit großen Fettpolstern.

Wir entfernen uns hier bereits deutlich vom ursprünglichen Hirsch – und das ist absolut gewollt. Der Hirsch ist lediglich die Basis, von der aus wir das Monster entwickeln. Ich gehe bewusst sehr weit in diesem Beispiel, aber natürlich können Sie sich auch zurückhalten – so wie bei vielen „Zombies“ in Videospielen.
Jetzt denke ich praktisch: Dieses Wesen hat einen riesigen, schweren Hals. Ich überlege, wie es sich fortbewegt und wie es frisst. Ich stelle mir vor, dass es seinen Kopf schnell nach vorn schleudern und das Kiefer weit nach vorne strecken kann – ähnlich wie eine Schlange beim Angriff. Mit aufgerichtetem Kopf ist es dagegen vermutlich eher langsam.
Das bringt mich dazu, die Augenposition zu überdenken. Wenn das Monster angreift, sollte es jederzeit gut sehen können – unabhängig davon, ob der Kopf oben oder unten ist.
Ich verwerfe also meine zwei kleinen Augen und entscheide mich für ein großes Auge in der Nähe des Mauls. In meinem Kopf besitzt das Wesen sogar noch ein zweites Auge auf dem Rücken – so hat es kaum einen toten Winkel.

Um den massiven Kopf und Hals zu stützen, braucht diese Kreatur kurze, kräftige Vorderbeine – für Stabilität und Kraft. Ich skizziere grob ein paar Formen, ohne genau zu wissen, wie sie am Ende aussehen werden.
DEN KÖRPER ZEICHNEN

Nun widme ich mich dem Rest des Körpers. Dieses Monster ist schwerfällig und plump, wenn es den Kopf in die Luft reckt. Es zieht sich mühsam voran. Über kurze Distanzen kann es aber blitzschnell nach vorne schnellen.

Der vordere Teil des Körpers ist kraftvoll und wuchtig, während der hintere Teil schwächer wirkt – schmal, ausgezehrt, fast nutzlos. Ich wähle eine Körperform, die in etwa der Länge des Hirschkörpers entspricht, aber nach hinten deutlich ausläuft.
Ich habe die Rückenlinie schließlich nach unten gebogen – das ergibt für mich eine dynamischere Silhouette, die besser zum Wesen passt, das ich im Kopf habe.

Die Hinterbeine orientieren sich ebenfalls an dieser Logik: dürre, knochige, fast verkümmerte Gliedmaßen, dafür unnatürlich lang. Ganz anders als die kräftigen Vorderbeine. Ich experimentiere mit seltsamen, „unmöglichen“ Gelenken – aber sie funktionieren visuell trotzdem.
Stellen Sie sich vor, wie es sich bewegt – Sie werden merken, es wirkt absurd und glaubwürdig zugleich.

Ich entscheide mich, noch einen Schwanz hinzuzufügen, um die Silhouette optisch auszugleichen.
DIE DETAILS
Jetzt, da die Grundstruktur steht, beginne ich mit der Ausarbeitung der Details. Wenn ich beim Zeichnen selbst das Gesicht verziehe, weil mich etwas anwidert, ist das meist ein gutes Zeichen: Dann löst es auch bei anderen diesen Effekt aus. Und das ist noch ohne Farben – mit ihnen wird’s noch schlimmer. Wirklich!

Zwar habe ich jetzt ein Grunddesign, aber die Körperhaltung wirkt noch nicht ganz stimmig. Ich entspanne den Hals etwas, bringe Bewegung in die Vorderbeine und verändere die Pose.



Nun bringe ich alles zur Geltung, was man sonst gern weglässt: Falten, Hautwülste, Cellulite, knotige Haut, unnatürliche Gelenke – alles, was die Kreatur unangenehm realistisch erscheinen lässt.

Ich zeichne auch Warzen – oder etwas in der Art –, ohne zu genau wissen zu wollen, was sie darstellen. Ich verteile sie gezielt über den Körper, um ein einheitliches Bild zu schaffen.

Am Ende erhalten wir ein Monster mit einer unverwechselbaren Silhouette – und jeder Menge unheimlicher Details.
Ich hoffe, es gefällt Ihnen! Ich habe es nur für Sie entworfen. 😊
Und jetzt kommt Ihre Aufgabe (wenn Sie möchten):
Geben Sie dem Monster einen Namen!
Natürlich ist es viel einfacher, ein glaubwürdiges Monster zu entwerfen, wenn man sich mit Anatomie auskennt. Wenn man gewohnt ist, Menschen oder Tiere zu zeichnen, versteht man die Struktur von Knochen und Muskeln besser – und kann sie gezielt „brechen“.
Wie man so schön sagt: Wer weiß, wie Dinge normalerweise funktionieren, kann sie bewusst dekonstruieren. Umgekehrt ist das deutlich schwieriger.
Ich hoffe, dieser kleine Artikel hat Ihnen gezeigt, wie man aus einer beliebigen Form ein furchteinflößendes Monster gestalten kann.
Viel Spaß – und viel Erfolg beim Monstermachen!
Illustratorin und Redakteurin: Rakjah