Einen Ast zeichnen – Anleitung für realistische Naturzeichnungen
Heute widmen wir uns einem natürlichen Element, das allgegenwärtig ist, sobald man sich im Freien aufhält: dem Ast. Als Verlängerung des Baumes dient er oft als Rennstrecke für schelmische Eichhörnchen, als Rückzugsort kleiner Vögel oder sogar als Sitz eines beobachtenden Waldkobolds.
Natürlich gilt: Keine Äste ohne Bäume. Einen ergänzenden Artikel zum Thema „einen Baum zeichnen lernen“ von Rakjah finden Sie ebenfalls auf dieser Seite.
DIE VERSCHIEDENEN ARTEN VON ZWEIGEN
Äste sind eine direkte Fortsetzung des Baumstammes. Daher sollte die Gestaltung der Äste stets mit der des Stammes harmonieren. Ein Baum mit einem geraden, glatten Stamm wird auch tendenziell gerade, glatte Äste ausbilden.

In einem Beispiel verlängert ein linker Ast ganz natürlich den geraden Mittelstamm – man kann sich kaum vorstellen, dass derselbe Ast sich harmonisch in eine verdrehte Silhouette auf der rechten Seite einfügen würde.
Grundsätzlich bestehen Äste aus einer Abfolge von Verzweigungen (blau dargestellt), die von einer Hauptlinie (rot markiert) ausgehen.

Für eine natürliche Wirkung sollten Sie vermeiden, zwei Verzweigungen auf derselben Höhe entstehen zu lassen. Bevorzugen Sie eine versetzte Anordnung (grüne Pfeile). Achten Sie besonders bei längeren Ästen darauf, keine zu symmetrische Struktur zu schaffen.

Sehen wir uns zwei Varianten an:
Zeichnung A:
Hier folgen die Verzweigungen einem regelmäßigen Wechsel: unten, oben, unten, oben... Das ist grundsätzlich möglich, verlangt jedoch gezielte Unterbrechungen, um Monotonie zu vermeiden.
Zeichnung B:
Hier ist die Anordnung abwechslungsreicher: ein Ast unten, einer zur sichtbaren Seite, zwei unten, einer oben... Diese scheinbare Unordnung schafft eine natürlichere, lebendigere Form und dennoch eine ausgewogene Gesamtkomposition.
Wie bereits erwähnt, sollte auch hier stets die Form des Stammes berücksichtigt werden. Wenn der Stamm etwa verdreht ist, sollten auch die Äste diese Bewegung aufgreifen. Das grundlegende Prinzip bleibt jedoch gleich.

In der nächsten Zeichnung sehen Sie:
die Hauptlinie in Rot
erste Verzweigungen in Blau
feinere Zweige in Grün
Sobald die grobe Form steht [1], können Sie damit beginnen, die Rindenstruktur und die Maserung des Holzes einzutragen [2] – je nach Baumart und Beschaffenheit der Rinde. Optional lassen sich auch Moos oder Flechten ergänzen [3].
Auch die Blätter Ihres Baumes sollten Sie berücksichtigen: Sie sitzen in der Regel an den feinsten Verästelungen der Äste. In Beispiel [A] finden Sie Kastanienblätter, in [B] Birkenblätter – beide folgen der gleichen Grundstruktur: rote Hauptlinie, blaue und grüne Verzweigungen.

Wenn Sie sich für eine bestimmte Baumart entscheiden, beachten Sie zwei Dinge:
Die Form der Blätter
Die Art der Befestigung am Zweig
Beim Hinauszoomen wird deutlich: Ein Baum besteht vollständig aus Verzweigungen. Der Stamm bildet die zentrale Achse (rot), von der sich größere Äste (blau) verteilen. Diese sind meist nicht perfekt symmetrisch, aber doch harmonisch gegliedert.

EINE AST SCHRITT FÜR SCHRITT ZEICHNEN

Wir zeichnen nun einen dickeren Ast – wie in einem Comicpanel, mit engem Fokus.
Schritt 1:
Der Stamm selbst ist nicht im Bild, befindet sich jedoch rechts außerhalb des Rahmens. Der Ast ist leicht verdreht.
Schritt 2:
In meinem inneren Bild ist der Baum alt, ein Ast (rot markiert) wurde vor langer Zeit abgebrochen.
Schritt 3:
Ich ziehe die Umrisse des Zweiges. In [A] füge ich eine kleine Unregelmäßigkeit ein – vielleicht ein abgebrochener Ast. In [B] erweitere ich das Astende leicht, damit es sich nicht zu abrupt verjüngt. Ich bilde eine Verdickung und einen Aststumpf. Meine Linien sind absichtlich unregelmäßig – die Rinde ist schließlich keine glatte Fläche.
Schritt 4:
Ich säubere die Zeichnung.
DETAILS UND FARBE ZUM ZEICHNEN HINZUFÜGEN

Schritt 1:
Für mehr Struktur und Materialität – ohne aufwändige Kolorierung – füge ich Richtungsstriche hinzu:
In Rot: Linien um die Stellen, an denen Äste abgebrochen sind
In Violett: Wachstumsrichtung der Rinde
Im grünen Bereich: nur wenige Details, da hier Moos vorgesehen ist
Schritt 2:
Ich wähle ein grau-braunes Grundfarbton für den Ast.

Schritt 3:
Das Licht fällt von oben ein. Ich helle entsprechende Flächen auf und setze Schatten.
Schritt 4:
Ich „verschmutze“ die Rinde leicht mit entsättigten, dunklen Grüntönen – ein subtiler Moos-Effekt.

Schritt 5:
Der Moosbereich wird durch gelblich-grüne Akzente lebendiger.
Schritt 6:
Ich verstärke das Rindenmaterial durch dunklere Linien entlang der Wuchsrichtung.

Schritt 7:
Zusätzliche Linien (rot) verleihen dem Moos Substanz. Im Hintergrund setze ich eine leicht verschwommene Dekoration.
Schritt 8:
Letzte Anpassungen bei Licht und Schatten – fertig!
Ich wiederhole mich gerne: Lassen Sie sich inspirieren von den echten Bäumen und Sträuchern um Sie herum. Sie sind die beste Vorlage für Ihre Zeichnungen.
Der Ast ist ein organisches, lebendiges Element. Vermeiden Sie zu gerade Linien – setzen Sie lieber auf weiche, leicht gebrochene Formen. Genau darin liegt der natürliche Charme.
Illustratorin und Redakteurin: Elo Illus