Männliche Gesichter zeichnen: Proportionen, Unterschiede & Tipps
Ich bin mir sicher, dass einige von Ihnen Menschen zeichnen und dass Gesichter dabei manchmal schwierig erscheinen. Ich möchte Ihnen deshalb einige Tipps und Tricks geben, die Ihnen helfen können. ^^
Ich spreche hier über den allgemein anerkannten Schönheitskanon. Dieser besagt, dass ein Mensch als angenehm anzusehen gilt, wenn bestimmte Proportionen eingehalten werden. Die Schönheitsstandards variieren zwar je nach Zeitgeist und Kultur, dennoch können Sie mit einer Vielzahl von Kriterien spielen, um coole männliche Charaktere zu gestalten – ganz ohne sich strikt an den Schönheitskanon zu halten. Genauso können Sie sich vom klassischen Kanon für weibliche Gesichter lösen und dennoch sehr schöne weibliche Charaktere erschaffen.
Dieser Artikel ist Teil einer Serie über Gesichter. Dort habe ich bereits ausführlich behandelt, wie man ein Frauengesicht oder ein Manga-Gesicht zeichnet. Zögern Sie also nicht, auch diese Artikel zu konsultieren.
PROPORTIONEN EINES MÄNNERGESICHTS FÜR DIE ZEICHNUNG
Die meisten grundlegenden Proportionen des Gesichts sind bei Männern und Frauen gleich. Wir gehören alle zur menschlichen Spezies, daher ist es normal, dass es viele Gemeinsamkeiten gibt. Dazu zählen die Position von Augen, Nase, Mund und Ohren – sowohl von vorne als auch im Profil.
Dennoch lassen sich auf den ersten Blick einige Unterschiede erkennen.
DIE UNTERSCHIEDE ZWISCHEN MÄNNLICHEM UND WEIBLICHEM GESICHT
Kommen wir zum interessanten Teil: Bei Frauen ist das Ziel meist, ein möglichst glattes und „perfektes“ Ergebnis zu erzielen. Bei Männern hingegen können viele Merkmale stärker hervorgehoben werden, ohne dass es störend wirkt – im Gegenteil.
UNTERSCHIEDE IN DER GESICHTSZEICHNUNG: DER HALS
Der Hals ist bei erwachsenen Männern deutlich dicker (bei Jugendlichen etwas weniger, kleine Jungen haben einen ebenso dünnen Hals wie kleine Mädchen). Konkret ist der Hals etwa so breit wie das Gesicht, manchmal etwas schmaler. Das gilt sowohl von vorne als auch im Profil – und natürlich nicht zu vergessen: der mehr oder weniger ausgeprägte Adamsapfel.
Sie können zum Beispiel die Nase verlängern oder sehr kurz zeichnen. Ebenso lässt sich die Nase verbreitern und in der Form variieren, ohne dass es unbedingt auffällt.
Auch das Absenken des Mundes (also das Entfernen vom Nasenansatz) verleiht dem Gesicht einen männlicheren Ausdruck.
Die Lippen sind bei Männern generell dünner oder zumindest weniger ausgeprägt. Oft wird die Form der Lippen bei männlichen Gesichtern nur angedeutet, da eine zu detaillierte Darstellung sie sofort feminisieren könnte – obwohl es natürlich auch Männer mit vollen Lippen gibt.
UNTERSCHIEDE IN DER GESICHTSZEICHNUNG: DIE AUGEN
Die Augen liegen bei Männern häufig tiefer in den Augenhöhlen, was mehrere Folgen hat: Der Augenbrauenbogen ist prominenter, besonders im Profil und aus der ¾-Perspektive. Dadurch verschiebt sich auch die Position der Augen in diesen Ansichten etwas nach innen.
Auch die Position der Augenbrauen verändert sich: Bei Männern sind die Augenbrauen näher am Augenniveau, zusätzlich sind sie meist dicker und beginnen früher als bei Frauen.
Weibliche Augenbrauen beginnen tendenziell senkrecht zu den Nasenlöchern, während männliche eher am Rand des Nasenrückens starten.
DIE GESICHTSFORM
Last but not least: die Gesichtsform. Männergesichter sind markanter als Frauengesichter. Sie können problemlos die Form von Kiefer, Wangenknochen oder Kinn hervorheben, ohne dass das Gesicht dadurch lächerlich oder unästhetisch wirkt. Es ist auch einfacher, Details und Volumeninformationen hinzuzufügen, ohne dass es Probleme gibt.
Natürlich dürfen wir den Bart nicht vergessen! Auch wenn viele Charaktere rasiert sind, kann man eine maskuline Wirkung einfach über die Haare an den Seiten des Gesichts erzielen. Männer können die Koteletten wachsen lassen und nach Belieben mehr oder weniger lang tragen, während Frauen diese Möglichkeit aus offensichtlichen Gründen nicht haben.
Wenn Sie eine androgyne Figur erschaffen möchten, können Sie Merkmale beider Geschlechter mischen und versuchen, so nah wie möglich am Kanon zu bleiben. Gleiches gilt für junge, schöne Charaktere, die nicht zu viril wirken sollen. Ein klassisches Beispiel sind Mangacharaktere, die oft androgyne Züge tragen (aber nicht nur diese ^^).
Wie bei weiblichen Charakteren können Sie bestimmte Merkmale betonen oder abschwächen, um Ihren Charakter individuell zu gestalten.
Merkmale, die Sie betonen können:
- Länge und Form der Nase
- Höhe des Mundes (vom Nasenansatz weg bewegen)
- Dicke und/oder Länge des Kinns
- Kieferform
- Dicke und/oder Höhe der Augenbrauen
Merkmale, die Sie reduzieren können:
- Größe der Augen
- Dicke des Mundes
Ich erinnere Sie daran, dass all diese Regeln die allgemein anerkannten Schönheitsstandards widerspiegeln. Sie gelten nur für Charaktere, die als „schön“ angesehen werden sollen. Sie können sich natürlich davon lösen und trotzdem einen Charakter erschaffen, der angenehm fürs Auge ist – wie die folgenden Beispiele zeigen. Diese Regeln sind ein Ausgangspunkt, um Ihnen zu helfen, die anatomischen Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen Gesichtern besser zu verstehen.
BEISPIELE VON MÄNNERGESICHTERN
Wie bei weiblichen Gesichtern habe ich männliche Charaktere mit unterschiedlichen Gesichtsformen ausgewählt, die aber alle als schön gelten sollen. Wenn Ihr Charakter nicht besonders schön sein soll, können Sie sich viel weiter von den Schönheitsidealen entfernen – das ist sogar sehr empfehlenswert! :D Spielen Sie ruhig mit vielen Parametern, um bestimmte Merkmale zu über- oder untertreiben.
Tarzan (aus dem Film „Tarzan“:
Ich persönlich mag sein Design sehr. Er hat ein Gesicht mit einem extrem langen Kinn und einer ausgeprägten, quadratischen Kieferlinie. Seine Augen liegen tief in den Augenhöhlen (erkennbar an den markanten Augenbrauenbögen). Seine Nase ist sehr lang, aber fein, und seine Augen sind relativ groß. Die Augenbrauen sind ebenfalls eher fein, sodass trotz der stark ausgeprägten Merkmale auch viel Feinheit im Gesicht liegt.
Phoebus (aus „Der Glöckner von Notre Dame“):
Fast das Gegenteil von Tarzan. Sein Gesicht ist weniger länglich und fein. Auch er hat tief liegende Augen, aber nicht so ausgeprägt. Dafür sind seine Augenbrauen sehr dicht und buschig. Die Nase hat normale Länge, ist aber dick und leicht schief. Die Augen stehen etwas weiter auseinander, der Mund ist breit und das Gesicht insgesamt ziemlich quadratisch mit einem dicken Hals. Nicht zu vergessen der kleine Ziegenbart.
Sinbad (aus „Sinbad – Die Legende der sieben Meere“):
Ein anderer Typ: Wieder ein markanter Kiefer und ein langes Kinn. Die Nase ist normal lang, aber mit einer besonderen Form. Die Augen liegen tief, die Augenbrauen haben eine typische männliche Form. Der Hals ist dick. Der Mund sitzt sehr nah an der Nase. Auffällig sind die Vertiefungen zwischen Augen und Nase, die Wangenknochen sowie die ausgeprägten Nackenmuskeln. Und natürlich der kleine Ziegenbart.
Hanzo (aus Overwatch):
Hier erkennen Sie sehr gut die betonten Merkmale: Der Kiefer und das Kinn werden durch den Ziegenbart hervorgehoben, die Augenbrauenbögen sind markant. Die Nase ist normal geschnitten, aber leicht unregelmäßig geformt – das verleiht Charakter. Die Augenbrauen sind dick und buschig. Und nicht zu vergessen: die typischen männlichen Koteletten.
Dante (aus Devil May Cry 5):
Das letzte Beispiel. Dante hat die tiefst liegenden Augen von allen hier vorgestellten Charakteren. Beachten Sie die starken Schatten unter seinem Augenbrauenbogen. Die Augen stehen etwas weit auseinander, aber ansonsten sind seine Gesichtsproportionen klassisch – abgesehen von einem etwas zu tief sitzenden Mund. Auch hier sind Kiefer und Kinn sehr markant, der Hals dick, und die Wangenmuskulatur betont. Augenringe sind ebenfalls gut sichtbar. Auffällig ist, dass Dante im Gegensatz zu vielen anderen männlichen Charakteren eher volle Lippen hat – er hat aber auch einen sehr breiten Mund.
SCHLUSSFOLGERUNG
Sie haben jetzt alle Werkzeuge an der Hand, um konsistente Gesichter zu erstellen – und mit „konsistent“ meine ich solche Proportionen, die unser Gehirn und unsere Augen nicht irritieren.
Ausgehend von diesen wenigen Regeln wünsche ich Ihnen viel Spaß beim Experimentieren mit den verschiedenen Aspekten männlicher Gesichter. Zeichnen Sie viel, beobachten Sie genau! :)
Redakteurin und Illustratorin: Rakjah