Das Aktmodell: Vorbereitung und Techniken
Das Zeichnen nach dem Aktmodell ist eine weit verbreitete Praxis in der Kunstwelt. Als Kunststudierende haben Sie möglicherweise wöchentlich 5 bis 6 Stunden Aktzeichnen zusätzlich zum Anatomieunterricht – denn beides ist untrennbar miteinander verbunden. In diesem Artikel erfahren Sie, wie Sie sich optimal auf das Aktzeichnen vorbereiten und das Modell gekonnt darstellen.
WAS IST EIN AKTMODELL?
Das lebende Modell ist eine Praxis, bei der eine Person – häufig nackt – direkt vor Ihren Augen posiert und gezeichnet wird. Diese Übung eignet sich hervorragend, um die Realität möglichst authentisch wiederzugeben und den menschlichen Körper präzise zu erfassen.
Das Zeichnen nach einem echten Modell ist dabei anspruchsvoller als das Arbeiten nach Fotos. Während Fotos unbeweglich sind, handelt es sich beim Modell um einen lebendigen Menschen, der sich bewegt und nicht unbegrenzt lange in einer Pose verharren kann.
Im Unterricht sind die längsten Posen meist auf etwa eine Stunde begrenzt. In dieser Zeit sollen Sie eine vollständige, proportionierte Zeichnung anfertigen – inklusive der Darstellung von Kurven, Linien, Schatten, Licht und eventuell Farbe. Obwohl dies zunächst einfach klingt, erfordert diese Aufgabe viel Konzentration und kann durchaus stressig sein. Daher ist das Aktzeichnen keine leichte Disziplin.
Meist sind die Posen deutlich kürzer und dauern zwischen 30 Sekunden und 5 Minuten. Gerade diese kurzen Zeitfenster helfen Ihnen, die Essenz und Absicht einer Pose schnell zu erfassen. Am Anfang mag es schwierig sein, in 30 Sekunden überhaupt einen Strich zu setzen, doch mit Übung werden Sie bald in der Lage sein, zumindest eine grobe Silhouette anzulegen. Diese Übung lehrt Sie, zügig und zielgerichtet zu zeichnen, indem Sie das Modell intensiv beobachten und dessen Haltung mit entschlossenen Linien festhalten.
Mein Lehrer betonte stets, dass wir möglichst ohne Blick auf das Papier zeichnen sollten – eine Fähigkeit, bei der Sie Auge und Hand synchronisieren, um das Modell präzise wiederzugeben.
Zu Beginn waren unsere Skizzen oft kaum als menschliche Figuren zu erkennen. Doch bereits nach einem Jahr regelmäßigen Übens konnten wir Posen verständlich und stimmig darstellen – manchmal sogar besser als mit direktem Blick auf das Blatt.
Es gibt zahlreiche Übungen, die Sie mit einem lebenden Modell durchführen können.
Doch warum sollte man Anatomiekenntnisse mit dem Arbeiten nach einem lebenden Modell kombinieren? Ganz einfach: Ein fundiertes Wissen über Anatomie hilft Ihnen, das Modell besser zu verstehen und dessen Körperbau präziser abzubilden.
Um den menschlichen Körper korrekt zu zeichnen, ist es wichtig, ihn sowohl von außen als auch von innen zu kennen – also Muskeln, Knochen und deren Wechselwirkungen.
Meist posiert das Modell nackt, damit die Konturen von Muskeln und Knochen gut sichtbar sind. Ein bekleidetes Modell ist vor allem für das Studium von Stoffen und Faltenwurf interessant.
Kommen wir zum praktischen Teil:
Für diesen Artikel stand mir kein echtes Modell zur Verfügung, daher werde ich anhand eines Fotos arbeiten.
Wussten Sie, dass Sie auch mit Fotos üben können, wenn kein Aktmodell-Studio in Ihrer Nähe ist? Zwar ersetzt dies nicht das Arbeiten mit einem lebenden Modell, doch es ist eine sinnvolle Alternative und besser als gar keine Übung.
MODELLZEICHNEN NACH FOTO
Für diese Übung habe ich ein Foto ausgewählt, das eine interessante Pose zeigt. Es gibt viele Kurven und Brüche, die das Zeichnen spannend machen.
Wenn Sie möchten, können Sie auch mit einem männlichen Modell üben. Zögern Sie nicht, unterschiedliche Körperformen zu zeichnen – jung, alt, klein, groß, schlank, kräftig. Jeder Körper ist einzigartig und bringt seine eigenen Herausforderungen und Schönheiten mit sich.
Bevor Sie mit dem Zeichnen beginnen, ist es wichtig, Maße zu nehmen. Erfahrene Zeichner können das oft intuitiv, doch als Anfänger sollten Sie Ihre Beobachtungen bewusst erfassen, um eine harmonische Komposition zu erzielen.
Hierfür benötigen Sie lediglich einen Bleistift: Halten Sie ihn mit ausgestrecktem Arm waagerecht vor sich, schließen Sie ein Auge und richten Sie die Spitze auf den höchsten Punkt des Modells aus. Mit Ihrem Daumen markieren Sie die Position des tiefsten Punkts auf dem Bleistift – das ist Ihr erstes Maß.
Drehen Sie den Bleistift um 90 Grad, um horizontale Abstände zu messen.
Diese Maße können Sie nun direkt proportional auf Ihr Zeichenpapier übertragen oder sie an die gewünschte Größe anpassen, indem Sie den Wert mit einem Faktor multiplizieren (z. B. 1,5 oder 2).
MODELL ZEICHNEN - SCHRITT FÜR SCHRITT
Jetzt, da Sie wissen, wie man Maße nimmt, lassen Sie uns beginnen!
Ich beginne meine Zeichnung, indem ich den Kopf des Modells auf mein Blatt setze.
Mithilfe der genommenen Maße positionieren Sie grob die wichtigsten Körperteile in der richtigen Proportion.
Zeichnen Sie den Körper zunächst mit einfachen geometrischen Formen, ohne auf Details einzugehen. Dies erleichtert es, die Gesamtkomposition im Blick zu behalten. Es gibt einen Artikel über die Zeichnung des Körpers einer Frau, da es im Zusammenhang mit dem menschlichen Körper steht, könnte es Sie interessieren :)
Als Nächstes passen Sie diese Formen an und verleihen ihnen mehr Flexibilität und Genauigkeit – ähnlich wie ein Bildhauer, der zunächst grob formt und dann mit Feinarbeit Details herausarbeitet.
Vermeiden Sie zu weiche Formen an den Gelenken: Knochenstellen wirken meist hart und klar. Weiche Übergänge hier wirken unnatürlich und schwächen die Zeichnung.
Fügen Sie nun erste Details wie Hautfalten oder Vertiefungen hinzu, ohne sich zu sehr in Kleinigkeiten zu verlieren. Setzen Sie Akzente mit Schatten und Licht, um Volumen zu erzeugen.
Schließlich widmen Sie sich dem Gesicht: Platzieren Sie Augen, Nase und Mund sorgfältig und zeichnen Sie auch die Haare.
Ich arbeite am Gesicht, ich platziere die Augen, die Nase und den Mund.
FARBE UND SCHATTEN HINZUFÜGEN
Wenn Ihre Linienzeichnung fertig ist, können Sie Schatten und Licht hinzufügen, um mehr Realismus zu erzielen.
Ich empfehle, mit warmen Gelb- und Orangetönen zu beginnen – Sie können aber natürlich jede gewünschte Farbpalette verwenden, auch Grautöne.
Bedecken Sie die Zeichnung zunächst mit einer hellen Grundfarbe.
Ein kleiner Tipp: Kneifen Sie beim Betrachten des Modells Ihre Augen leicht zusammen. Dadurch werden die Schattenbereiche klarer sichtbar. Diese sollten Sie betonen, während weniger sichtbare Schattenbereiche Sie nicht belasten sollten.
Auch die Lichtreflexe lassen sich so besser erkennen.
Wenn das Modell kein starkes Licht aufweist, fügen Sie kein künstliches Licht hinzu – die Haut reflektiert Licht nicht so stark wie Metall, und künstlich hinzugefügte Lichter können den plastischen Effekt verstärken und unnatürlich wirken lassen.
Beginnen Sie mit sanften Schattierungen an den Übergangsbereichen und steigern Sie die Intensität der Schatten schrittweise.
Vermeiden Sie es, die Schatten zu verwischen. Scharfe Übergänge wirken meist realistischer.
Zum Abschluss setzen Sie mit der dunkelsten Farbe die tiefsten Schatten – beispielsweise an Gelenken oder unter Körperkonturen.
Für Haare wählen Sie einen dunkleren Ton als die Hautfarbe, um einen natürlichen Kontrast zu erzeugen.
Ihr Zeichnung ist fertig.
Ein hilfreicher Test: Wenn Sie die Zeichnung nur anhand der Schatten erkennen und verstehen können, ohne die Linien zu sehen, sind Ihre Schatten gelungen.
Die allgemeinen Formen und Volumen sollten dadurch klar erkennbar sein.
Illustratorin und Redakteurin: Coralie