Einen Tigerkopf zeichnen – Schritt für Schritt
In diesem Artikel begeben wir uns auf die Spur eines außergewöhnlichen Wesens – kraftvoll und zugleich elegant, auffällig und doch unauffällig: dem Tiger. Unser Fokus liegt dabei auf einem besonders faszinierenden Teil seines Körpers – dem Kopf.
DIE GRUNDLAGEN DES ZEICHNENS EINES TIGERS
Der Tiger ist die größte aller wilden Katzenarten und gehört zu den größten landlebenden Raubtieren – übertroffen nur von einigen Bärenarten. Sein Körper ist im Allgemeinen länger als der eines Löwen, was ihn massiver erscheinen lässt – dabei gibt es natürlich Unterschiede je nach Unterart sowie zwischen Männchen und Weibchen.
Die Wirbelsäule ist direkt hinter dem Schädel hoch angesetzt, und der Hals ist kräftig gebaut. Wenn Sie also den Kopf eines Tigers zeichnen, behalten Sie stets diese körperliche Masse im Hinterkopf – der Hals und die Schultern setzen den Kopf gewissermaßen fort. Andernfalls besteht die Gefahr, dass der Kopf zu sehr „schwebt“. Denken Sie daran: Wir zeichnen keinen Kran.
Selbst wenn Sie sich auf ein einzelnes Detail konzentrieren, sollten Sie immer ein Bild vom Gesamtaufbau Ihres Motivs im Kopf haben.
Ein weiterer wichtiger Punkt: Der Tiger ist ein Spitzenraubtier. Wie bei den meisten dieser Tiere sind seine Augen nach vorne gerichtet – so kann er Distanzen besser abschätzen. Das bedeutet: Wenn Sie ihn frontal zeichnen, schauen seine Augen Sie direkt an. Und auch bei der Seitenansicht sind die Augen weit vorne positioniert – nicht seitlich wie bei Beutetieren (z. B. Rehen oder Schafen).
Natürlich müssen wir irgendwann beginnen. Es wäre möglich, das Tigergesicht als eine Abfolge von Kreisen zu erklären. Doch ich bevorzuge einen realistischeren Ansatz: Der Kopf besteht vor allem aus Knochen, Muskeln und Fell. Wenn Sie verstehen, warum bestimmte Formen so sind, wie sie sind, wird Ihre Zeichnung wesentlich überzeugender. Deshalb führt kein Weg am Studium des Schädels vorbei.
DER SCHÄDEL EINES TIGERS - DARSTELLUNG UND ANALYSE
Zuerst eine Seitenansicht:
Die Seitenansicht gibt uns viele Informationen:
Der Schädel ist kompakt, mit einem kurzen, breiten Fang. Die Stirn ist nur leicht geneigt, der Übergang kaum ausgeprägt. Die imposanten Eckzähne – die längsten aller heute lebenden Katzen – können bis zu neun Zentimeter lang werden.
In einer schematischen Darstellung:
- Grün: die Schnauze
- Blau: die Verbindung zur Wirbelsäule
- Orange: das Auge in seiner knöchernen Höhle
- Gestricheltes Orange: das Sichtfeld
- Violett: die Linie, die Nase und Auge verbindet
- Rot: der Bereich, den das Ohr abdeckt – die sogenannte Hörzone
Von vorne betrachtet:
Auf der ersten Skizze erkennt man deutlich, dass der Schädel des Tigers sehr kompakt ist – er lässt sich problemlos in einen Kreis einpassen, sofern man das geöffnete Unterkiefer dabei außer Acht lässt.
In Schema 2 lassen sich mehrere wichtige Elemente identifizieren:
Orange markiert die Augen, die sich nahezu auf derselben Höhe befinden wie die in Grün hervorgehobene Nase. Zwischen den Augen verläuft ein recht breiter, freier Bereich, der durch zwei violette Linien begrenzt wird – ein anatomisches Merkmal, das dem Tiger sein markantes Aussehen verleiht.
In Rot ist der sogenannte Hörbereich dargestellt – er definiert die ungefähre Position und Größe der Ohren. Blau markiert den oberen Rand des Schädels, der gleichzeitig als obere Begrenzung des Kopfes dient. Ebenfalls in Blau erkennt man seitlich den Bereich der kräftigen Kiefermuskulatur. Wenn Sie diese Muskelmasse zur Knochenstruktur hinzudenken, erhalten Sie ein wesentlich genaueres Bild der tatsächlichen Kopfform.
Bild 3 zeigt eine schnelle „Verkleidung“ des Schädels. Und tatsächlich: Mit nur wenigen Linien beginnt das Tier auf dem Papier bereits lebendig zu wirken.
DIE VERSCHIEDENEN ELEMENTE DES TIGERKOPFES
DIE TRÜFFEL
Die Trüffel eines Tigers ähnelt stark der einer gewöhnlichen Hauskatze.
In Schema A sehen Sie die Nase in der Frontalansicht, in Schema B in der Seitenansicht.
In beiden Darstellungen ist in Rot eine leichte Rundung an den Rändern der Nase zu erkennen – die sogenannte Rückkehr der Nasenflügel. Da es sich bei der Nase um ein feuchtes Element handelt, sollten Sie nicht zögern, gezielt Lichtreflexe zu setzen, um diesen Eindruck zu verstärken.
Für die Farbgebung eignet sich eine Palette von leicht entsättigtem Rosa bis hin zu Ziegelorange. Wenn Sie eine besonders realistische Wirkung erzielen möchten, können Sie den Farbton mit dunklen Flecken akzentuieren und den Übergangsbereich zu den Lefzen etwas abdunkeln. Die obere Kante der Nase ist in der Regel klar abgegrenzt, was Sie auch zeichnerisch berücksichtigen sollten. Achten Sie darauf, die Textur leicht körnig zu gestalten – vermeiden Sie eine glatte, gleichmäßige Fläche, da diese schnell unnatürlich wirken kann.
Je stärker Sie den Realismus anstreben, desto wichtiger wird die detaillierte Ausarbeitung des Übergangs zwischen dem Schwarz der Nasenlöcher und dem umgebenden Fell.
Der unterhalb des rosafarbenen Bereichs gelegene schwarze Abschnitt stellt den Eingang der Nasenlöcher dar. Ich habe hier bewusst etwas mehr Schatten verwendet, um diesen Bereich klar hervorzuheben.
In Schema B zeigt die grüne Linie, dass die Nase leicht gewölbt ist – vermeiden Sie daher gerade Linien, die zu künstlich wirken könnten. Direkt darüber deutet die blaue Markierung die charakteristisch wellenförmige Form des oberen Nasenrands an.
Die Konstruktion:
Beginnen Sie mit einem blauen Punkt als Ausgangsbasis.
Schritt 1:
Zeichnen Sie die wellenförmige Kontur der oberen Seite der Trüffel. Es empfiehlt sich, eine vertikale Mittelachse einzuzeichnen – sie dient als Orientierungshilfe, um die Form symmetrisch aufzubauen.
Schritt 2:
Mit Violett konstruieren Sie ein relativ flaches Dreieck, das die Begrenzung der Nasenlöcher vorgibt. Achten Sie dabei besonders auf die Krümmung der Nasenflügel: Diese sind nicht rund, sondern folgen zunächst der oberen Linie und biegen sich dann zur violetten Markierung hin ab.
Schritt 3:
Vervollständigen Sie den unteren Bereich, indem Sie die Maulöffnung mit einer sanft abgerundeten Spitze abschließen.
Die grün markierte Zone innerhalb der Schnauze sollte nun schattiert werden – beginnen Sie mit einem dunkleren Ton in der Mitte und lassen Sie die Farbe zum Rand hin sanft in das Fell übergehen. Bedenken Sie, dass dieser Bereich kaum behaart ist und die Hautstruktur daher deutlicher sichtbar sein darf.
DIE AUGEN
Die Pupillen sind rund und schwarz. Die Iris ist von goldener bis grüner Farbe, blau beim weißen Tiger.
Schema 1:
Zeichnen Sie mit Blau ein schön geschwungenes, mandelförmiges Auge – das äußere Ende sollte leicht nach oben gezogen sein. Achten Sie auf den rosa Pfeil am inneren Augenwinkel: Beenden Sie die Linie dort nicht spitz zulaufend, sondern mit einer sanften Abrundung – ganz ähnlich wie beim menschlichen Auge.
Das Auge, das in Gelb dargestellt ist, wird sowohl oben als auch unten teilweise von den Lidern bedeckt. Ich habe außerdem den Rand der Pupille in Rot hervorgehoben – so erkennen Sie gut, dass sie nicht vollständig sichtbar ist.
Schema 2:
Die Augenlider selbst sind in kräftigem Grün eingezeichnet – sie sind bei Tigern in der Regel tiefschwarz.
Der orange schraffierte Bereich stellt die Augenlidermembran dar – eine haarlose Hautpartie, die schwarz bis grau gefärbt ist.
In Blau sehen Sie einige längere Haare über dem Auge, die an „Augenbrauen“ erinnern – eine schöne Ergänzung für realistische Zeichnungen.
In Violett angedeutet sind die Vibrissen (Tasthaare) im Bereich der Augen. Bringen Sie diese dezent ein, um die Zeichnung nicht zu überladen.
Schema 3:
Bei der Farbgebung habe ich die Iris auf einer goldenen Basis mit grünen Akzenten gestaltet. Die Pupille ist tiefschwarz.
Achten Sie darauf: Beim Tiger sieht man kein sichtbares Augenweiß – das Auge ist rundum von dunkler Farbe umgeben. Vergessen Sie außerdem nicht, Lichtreflexe zu setzen – auf der Iris, dem Auge selbst sowie auf dem Lid. Auch das untere Augenlid darf gerne leicht betont werden, um Tiefe und Lebendigkeit zu erzeugen.
DIE OHREN
Die Ohren des Tigers wirken auf den ersten Blick rund, doch vermeiden Sie es, einen perfekten Kreis zu zeichnen. Stattdessen empfiehlt sich die Form eines sehr weich gerundeten Dreiecks, das der tatsächlichen Anatomie näherkommt.
In Blau, auf Diagramm 1, erkennen Sie an den äußeren Übergangsstellen eine kleine Unregelmäßigkeit – ein anatomisches Detail, das auch bei Hauskatzen vorkommt. Diese subtilen Einkerbungen verleihen Ihrer Zeichnung zusätzliche Natürlichkeit.
Die Innenbereiche der Ohren sind dicht mit Haaren bedeckt, insbesondere an den oberen Innenrändern – achten Sie auf diese Textur, um Realismus zu erzeugen.
In der Detailansicht habe ich einige Haare, die vor dem Ohr wachsen, in Grün hervorgehoben. Diese Strähnen überlagern teilweise den Ohransatz. Die Haare auf der einen Seite, in Violett markiert, sind dabei länger als jene auf der gegenüberliegenden Seite, die in Rot dargestellt sind – auch das ist ein feines, aber wichtiges Merkmal für mehr Tiefe und Plastizität.
Auf Schema 2 erkennen Sie die Färbung der Ohr-Rückseite: Die obere Hälfte ist schwarz, mit einem gut sichtbaren, weißen Fleck im Zentrum – ein typisches Erkennungsmerkmal vieler Tiger. Dieser Kontrast ist auch in der Natur deutlich und sollte bei einer sorgfältigen Darstellung nicht fehlen.
DAS MAUL, DIE SCHNURRHAARE UND LEFZEN
Die Schnurrhaare, auch Vibrissen genannt, sind beim Tiger zahlreich und stets weiß, unabhängig von der Fellfarbe. In den Schaubildern 1 und 2 sind sie in Blau dargestellt. Achten Sie bei einer realistischen Darstellung darauf, dass einige dieser Haare auch unterhalb des Kinns zu sehen sind – besonders bei frontaler Ansicht.
In Schaubild 2 sind die Vibrissen zusätzlich eingefärbt, um sie besser hervorzuheben. Sie beginnen im oberen Bereich kurz, werden dann länger, bevor sie sich im unteren Bereich der Wange wieder verkürzen. Diese Dynamik bringt Leben in Ihre Zeichnung.
Die Befestigungspunkte der Vibrissen sind schwarz und deutlich sichtbar, meist in Reihen angeordnet. Diese schwarzen Punkte folgen vier bis fünf klaren Linien auf der Schnauze, wodurch sich zwei charakteristische rosafarbene Streifen im Muster der Trüffel ergeben. Achten Sie darauf, diese Linien nicht zu perfekt oder maschinell wirken zu lassen – ein gewisser organischer Rhythmus ist hier entscheidend.
Die Lefzen selbst sind schwarz, breit und eher hängend. Sie sind in Schema 1 mit einer roten Linie markiert. Direkt unter dieser Linie, in rot schraffierter Fläche, ist das Fell spärlicher – die dunkle Haut wird dort sichtbar. Dieser Bereich verleiht dem Gesicht zusätzliche Plastizität.
In grün schraffierter Fläche, oberhalb der Lefzenlinie, erkennen Sie das schwarze Zahnfleisch, das gerade bei geöffnetem Maul deutlich hervortreten kann. Diese Region ist wichtig für jede Szene, in der der Tiger sein Maul öffnet – sei es im Brüllen, Gähnen oder Drohen.
Zwischenöffnung:
In dieser Darstellung sehen Sie die wichtigsten Elemente einer leicht geöffneten Maulstellung.
- In Blau: die Masse der Oberlippe – sie verleiht dem Maul Volumen und Form.
- In Rot: die markante Linie der Lefze, die den Übergang zur dunkleren Hautregion darunter markiert.
- In Grün: das gut sichtbare Zahnfleisch, das hier besonders zur Geltung kommt.
- In Rosa: die Linien der Schnurrhaare, die weiterhin klar strukturiert und symmetrisch angeordnet sind.
Das offene Maul:
Wenn der Tiger droht oder brüllt, öffnet sich sein Maul weit – ein beeindruckender und kraftvoller Anblick.
Die Abbildung mit dem Skelett zeigt Ihnen die maximale Amplitude des geöffneten Kiefers. In der Praxis ist es jedoch oft wirkungsvoller, eine leicht reduzierte Öffnung zu zeichnen – sie wirkt glaubwürdiger und lässt Raum für Ausdruck.
In Blau sehen Sie sechs sichtbare Zähne zwischen den langen Eckzähnen – ein markantes Erkennungsmerkmal. Bei einer Drohgebärde zieht der Tiger die Muskeln seines oberen Mauls zusammen (ebenfalls in Blau hervorgehoben), wodurch sich die Eckzähne besonders eindrucksvoll präsentieren. Diese Muskelanspannung erzeugt eine Serie von Falten, die in rosa Linien angedeutet sind. Sie geben der Zeichnung Dynamik und Emotion. Die sichtbar gewordene Zunge ist rosa bis leicht violett und weist eine körnige Textur auf – für mehr Realismus sollten Sie hier auf kleine Lichtreflexe achten, denn die Zunge sowie die Lefzen sind stets leicht feucht.
Die Grenzen der Lefzen, in Rot markiert, rahmen das Maul zusätzlich ein und helfen Ihnen, die Mundöffnung plastisch zu modellieren.
DAS FELL DES TIGERKOPFES
Das Fell eines Tigers ist ebenso charakteristisch wie majestätisch – und stellt gleichzeitig eine der größten Herausforderungen beim Zeichnen dar.
Die Farbpalette reicht von hellgelb bis dunkelorange, durchzogen von tiefschwarzen Streifen. Die helleren Partien – vor allem an der Innenseite des Halses, den Wangen, am Unterkiefer sowie oberhalb der Augen – zeigen sich in einem cremeweißen Ton. Achten Sie darauf: Ein zu reines Weiß wirkt oft unnatürlich. Greifen Sie stattdessen zu einem leicht gebrochenen Weiß oder einem weichen Elfenbein – besonders bei realistischen Zeichnungen.
Bei weißen Tigern (die übrigens keine eigene Unterart darstellen) ist das Fell insgesamt aufgehellt, mit dunkleren cremefarbenen Bereichen und ebenfalls schwarzen Streifen.
Schritt 1: Tragen Sie zunächst eine Grundfarbe auf – in einem goldenen Orangeton, der nicht zu gesättigt oder dunkel sein sollte. Dies bildet die Basis für die weitere Gestaltung des Fells.
Schritt 2: Markieren Sie anschließend die hellen Fellbereiche um das Maul, die Augen und gegebenenfalls auch entlang der Kontur vor dem Ohr (wie im Detaildiagramm zu den Ohren in Grün angedeutet).
Schritt 3: Beginnen Sie nun mit den charakteristischen schwarzen Streifen, die symmetrisch entlang des Kopfes verlaufen:
- In Grün: die feinen Schnurrhaare (Vibrissen).
- In Blau: drei leicht gebogene Linien über den Augen.
- In Rot: eine markante Linie, die vom Augenrand ausgehend ein Dreieck bildet, das zur Stirnspitze führt.
- In Rosa: eine kräftigere Linie, die das Auge unterstreicht.
Schritt 4: Ergänzen Sie die Linien entlang der Kopfform:
Zwei breite Linien (Grün), die entlang der äußeren Ränder des Kopfes verlaufen und sich weit nach oben ziehen.
Auf der Stirn beginnen die Streifen (in Blau) oft als größere Punkte oder ovale Formen (in Rot) und entwickeln sich weiter in Richtung Nacken und Körper.
Bevor Sie mit dem detaillierten Zeichnen beginnen, werfen Sie einen genauen Blick auf die Richtung des Haarwuchses. Diese ist entscheidend für die Struktur und Ausdruckskraft Ihrer Zeichnung.
Nehmen wir das vorherige Schema noch einmal zur Hand: In Blau ist dort die Richtung des Haarwuchses eingezeichnet, in Grün ein Merkhinweis für die Position der Ohren.
Das mag zunächst selbstverständlich wirken – doch je mehr Realismus Sie anstreben, desto wichtiger wird die sorgfältige Ausarbeitung des Fells. Denken Sie daran: Fell ist nicht gleichmäßig gefärbt. Neben natürlichen Farbnuancen spielen auch Licht- und Schatteneffekte eine zentrale Rolle. Diese verleihen Ihrer Zeichnung Tiefe und Lebendigkeit.
Zudem besteht das Fell eines Tigers – wie bei den meisten Tieren – nicht aus Haaren einheitlicher Länge:
Längere Haare finden sich an den Wangen und im unteren Gesichtsbereich.
Kürzere, feinere Haare bedecken die Schnauze und die Ohren.
Wenn Sie also realitätsnah arbeiten möchten, sollten Sie darauf achten, an den entsprechenden Stellen einzelne Haarbüschel darzustellen. Aber übertreiben Sie es nicht – zu viele „ausgefranste“ Linien können die Klarheit der Silhouette beeinträchtigen. In der Illustration sehen Sie das gut: Schraffuren deuten langes, struppiges Fell an, während feinere, lineare Striche kürzeres Haar markieren.
Ein weiterer zentraler Punkt betrifft die schwarzen Streifen, die das Tigerfell so markant machen. Vermeiden Sie glatte, durchgehende Linien mit perfekten Kanten – sie wirken schnell unnatürlich und erinnern eher an stilisierte Darstellungen als an ein lebendiges Tier. Wenn Sie keine bewusst grafische Interpretation anstreben, sollten die Ränder der Streifen leicht unregelmäßig oder verwischt gezeichnet sein – das kommt der realen Struktur des Fells deutlich näher.
Abschließend noch ein wichtiger Hinweis zur Technik: Wie genau Sie das Fell umsetzen, hängt stark von Ihrem gewählten Medium ab:
Beim Arbeiten mit Bleistift oder Kohle liegt der Fokus auf Schraffur und Textur.
Bei Aquarell gestalten sich die Farbübergänge weicher und fließender.
In Öl oder Acryl können Sie mit Schichten, Lasuren und Impasto-Techniken Volumen und Tiefe erzeugen.
Es gibt also keinen festen Ablauf, sondern eine Vielzahl an Möglichkeiten – wählen Sie die Methode, die am besten zu Ihrem Stil und Medium passt.
EINEN TIGERKOPF ZEICHNEN - SCHRITT FÜR SCHRITT
Wenn Sie den bisherigen Erklärungen gut folgen konnten, sollte Ihnen der Aufbau des Tigerkopfes nun deutlich leichter fallen. Hier führen wir Sie Schritt für Schritt durch den Zeichenprozess:
Schritt 1: Die Basis festlegen
Zeichnen Sie einen Kreis, der als Grundlage für den Kopf dient. Markieren Sie darin das Zentrum mit einer roten Linie – diese Linie fungiert als Symmetrieachse und Orientierung für den gesamten Aufbau des Kopfes.
Schritt 2: Blickrichtung und Schnauzenebene bestimmen
Ziehen Sie eine blaue Linie, die die Blickrichtung vorgibt. Sie hilft Ihnen dabei, den Scheitelpunkt des Schädels festzulegen. Entlang der roten Symmetrielinie platzieren Sie eine rosa Linie, die auf Höhe der Stirn liegt. Da der Höhenunterschied zwischen Stirn und oberem Kiefer eher gering ist, setzen Sie eine grüne Linie etwas unterhalb der rosa Linie – sie definiert die Oberseite der Schnauze.
Schritt 3: Schnauzenlänge und Maulmitte definieren
Verlängern Sie die rote Symmetrielinie nach unten und platzieren Sie darauf die Symmetrielinie der Schnauze (grün). Orientieren Sie sich dabei am Schädelprofil: Der Abstand von der Schnauze zur Augenhöhle ist etwas kürzer als der von der Augenhöhle zum Hinterkopf. Die grüne Schnauzenlinie wird daher etwas kürzer als die Kopfachse sein. Von der Schnauzenspitze aus ziehen Sie zusätzlich eine dunkelgrüne Linie, die die Mitte des Mauls markiert.
Schritt 4: Augen- und Ohrenbereiche einzeichnen
Ausgehend von der Augenposition markieren Sie in Rot den Hörbereich, also den Raum, in dem die Ohren sitzen. Achten Sie darauf, den typischen weiten Abstand zwischen den Augen zu erhalten (orangefarbene Schraffur) – er bestimmt die Breite der Schnauze. Zeichnen Sie die Nase ein und vervollständigen Sie das Maul rundherum.
Schritt 5: Die Ohren setzen
Platzieren Sie die Ohren beidseitig des Kopfes. Achten Sie dabei auf eine leicht dreieckige, stark abgerundete Form, die realistisch wirkt und dem natürlichen Aufbau des Tigerkopfes entspricht.
Schritt 6: Konstruktionslinien bereinigen
Radieren oder überarbeiten Sie die Hilfslinien, um eine saubere Zeichnung zu erhalten. Im Bereich der Wangen dürfen Sie längere, geschwungene Linien verwenden – sie deuten das dichte, wilde Fell an, das den Tiger so majestätisch erscheinen lässt.
Schritt 7: Farbflächen anlegen
Beginnen Sie mit dem gold-orangenen Grundton des Fells.
Setzen Sie anschließend die helleren Bereiche um Maul, Augen, Wangen und Kinn (in Cremeweiß oder Hellgelb).
Danach tragen Sie die ersten schwarzen Streifen symmetrisch auf.
Schritt 8: Maske, Licht und Schatten
Zum Schluss zeichnen Sie die charakteristischen schwarzen Streifen – die Maske – sorgfältig ein. Ergänzen Sie die Zeichnung mit Schatten und gezielten Lichtreflexen, insbesondere an Augen, Nase, Schnauze und Stirn. Details wie Schnurrhaare, feine Strukturen im Fell und ein Hauch von Feuchtigkeit auf der Nase oder Zunge geben dem Bild Tiefe und Leben.
Abschließender Hinweis:
Der Tiger zählt zu den komplexeren Großkatzen, wenn es ums Zeichnen geht. Bis Sie seine typische Fellmaske und den anatomischen Aufbau auswendig und frei wiedergeben können, braucht es Zeit, Geduld und regelmäßiges Üben. Beginnen Sie am besten mit dem Kopf, konzentrieren Sie sich auf Augen und Maul, und lassen Sie die Streifen zu einem späteren Zeitpunkt folgen.
Mit der Zeit wird Ihnen das Muster ganz natürlich in Fleisch und Blut übergehen.
Redakteurin und Illustratorin: Ello Illus