Zeichnen mit chinesischer Tusche - ein praktischer Leitfaden
Chinesische Tusche ist eine intensiv pigmentierte, fast unauslöschliche und äußerst vielseitige Tinte, die sowohl für Malerei und Zeichnung als auch für Kalligraphie verwendet wird.
DIE URSPRÜNGE DER CHINESISCHEN TUSCHE
Der Name lässt vermuten, dass sie aus China stammt, doch ihre Ursprünge sind in Wahrheit unklar und reichen weit in die Vergangenheit zurück. Im Englischen nennt man sie „India ink“, also „indische Tinte“, während sie auf Niederländisch „oost-indische inkt“ heißt. Ob ihr Ursprung tatsächlich in Indien, China oder allgemein in Asien liegt, lässt sich heute nicht mehr genau bestimmen. Nachgewiesen ist ihre Nutzung bereits zwischen 5000 und 4000 v. Chr.
Heute ist sie vor allem bekannt für ihre Bedeutung in der Kunst der Kalligraphie, im Tuschzeichnen und in der traditionellen asiatischen Malerei.
DIE VERSCHIEDENEN ARTEN VON TUSCHE
Ursprünglich wurde chinesische Tusche ausschließlich in Schwarz hergestellt, doch mittlerweile gibt es sie auch in anderen Farben wie Rot oder Blau. Erhältlich ist sie in flüssiger Form – in Flaschen, Patronen oder Töpfen – oder als feste Tuscheblöcke, die auf einem Reibstein mit Wasser angerührt werden müssen.
Die genaue Rezeptur variiert je nach Region und ist oft geheim. Generell besteht chinesische Tusche jedoch aus einem Pigment (meist Kohlenstoffschwarz bzw. Ruß), einem Bindemittel (oft aus Naturharz) und pflanzlichem Öl.
Unverdünnt angewendet, entwickelt die Tusche nach dem Trocknen einen schönen, glänzenden Lackeffekt.
Anwendungsbereiche:
- in der Kalligraphie
- für Tusche-, Comic- und technische Zeichnungen
- in der Malerei: mit weichem, rundem Pinsel, entweder pur oder lasierend
- auf Stoff – für Drucke oder Zeichnungen auf Naturmaterialien
Wichtig ist immer, eine passende Unterlage zu wählen, die die Tintendichte und Feuchtigkeit verträgt. Zum Einstieg eignet sich Papier ab ca. 100 g/m².
TIPPS, BEVOR SIE LOSLEGEN
Da chinesische Tusche nahezu unauslöschlich ist, sollten Sie vor dem Zeichnen Ihre Arbeitsfläche gut abdecken und Kleidung tragen, die schmutzig werden darf. Kleinere Missgeschicke passieren schnell – auch Finger und Hände sind schnell mal eingefärbt.
Praktisch ist es, die Arbeitsfläche mit Zeitungspapier oder einer Holzplatte zu schützen. Ich selbst stelle mein Tintenfass immer in eine Metallbox, damit eventuelle Kleckereien leicht zu reinigen sind. Halten Sie auch Küchenpapier bereit – für eventuelle Pannen oder um zwischendurch die Finger abzuwischen. Meine eigene Tusche ist schon einige Jahre alt und etwas eingetrocknet. Ich verdünne sie daher direkt im Glas mit etwas Wasser, bis die gewünschte Konsistenz erreicht ist.
MATERIALIEN FÜR DAS TUSCHEZEICHNEN
Man kann chinesische Tusche mit einer Vielzahl von Werkzeugen bearbeiten, die verschiedene Effekte und Formen bieten:
- Der Rohrfederkiel: ein flexibles und natürliches Werkzeug, das regelmäßig in die Tinte getaucht werden muss, da es kein Tintenreservoir hat.
- Der Pinsel: Achten Sie darauf, nicht alle Borsten des Pinsels in die Tinte einzutauchen, sondern sie nur halb einzutauchen, um den Pinsel zu schützen und seine Lebensdauer zu verlängern. Für die Verwendung mit chinesischer Tinte gibt es spezifische Formen und angepasste Borsten: sie sind normalerweise rund, flexibel und weich. Die Breite hängt von Ihrer Verwendung ab.
- Die Feder (einen Link einfügen gdba): natürlich oder aus Metall mit Federhaltern, um sie daran zu befestigen.
- Der Filzstift (einen Link setzen gdba): Heutzutage gibt es viele Filzstifte mit verschiedensten Spitzenstärken. Sie sind praktisch für das Zeichnen im Freien, und sauber in der Handhabung.
- Die Reißfeder: ein Werkzeug fokussiert auf Kalligraphie
Für weniger Geübte oder diejenigen, die sich mit dieser Tinte unwohl fühlen, bieten sich spezielle Filzstifte oder Stifte wie der Pigma Micron von Sakura an, die auf Tuschebasis arbeiten. Allerdings erzielen sie nicht die fast lackartige Wirkung, wie sie mit flüssiger Tinte möglich ist, und auch die Schwarzintensität wirkt etwas schwächer. Um chinesische Tinte auf unterhaltsame und angenehme Weise auszuprobieren, empfehle ich ausdrücklich die Verwendung von Metallfedern. Diese verfügen über kleine Tintentanks, sodass man die Feder seltener ins Tintenfass eintauchen muss.
Hier ein Überblick über meine Werkzeuge (von oben nach unten):
Holzfederhalter mit verschiedenen Metallfedern
Japanischer Filzstift mit chinesischer Tintenpatrone
Sakura Micron Fineliner
Glasfederhalter
Tipp: Achten Sie bei Metallfedern auf die Spitzenform. Breite oder Bajonettformen eignen sich für Kalligraphie, während runde Spitzen besser für Zeichnungen sind.
Federn mit feiner Spitze eignen sich sowohl für das Zeichnen als auch für die Kalligraphie. Für das Zeichnen sollte jedoch vorzugsweise eine Feder mit runder Spitze verwendet werden – wie die, die sich auf meinem Federhalter befindet, oder wie beim Glasfederhalter.
MIT FEDER ZEICHNEN - ERSTE LINIEN
Auf dem Bild unten zeige ich Ihnen die verschiedenen Darstellungen von Linien, einschließlich: horizontalen und vertikalen Linien, Kreisen, einer geschwungenen Linie, kleinen Punkten und Blättern.
DAS MATERIAL VON LINKS NACH RECHTS
• Metallfeder (1): Sie ist dünn und hat eine runde Spitze, sie erlaubt einige Variationen in der Strichstärke, wenn man leicht drückt. Ihr Tintenbehälter ist ziemlich gut und hält die Tinte gut fest. Sie haftet ein klein wenig am Papier.
• Filzstift (2) : Er ist etwas dicker und spitz, mit langen, biegsamen Borsten, ideal für eine etwas malerischere Darstellung und ermöglicht das einfache Einfärben von mittelgroßen Flächen. Nachfüllbar mit Tintenpatronen.
• Micron Sakura (3): praktisch, leicht, zuverlässig, lange Lebensdauer, aber die Tinte wirkt nicht authentisch. Nicht nachfüllbar.
• Metallfeder (4): extrem fein, angenehm sowohl beim Zeichnen als auch in der Kalligraphie, hat jedoch einen sehr leichten Strich. Man kann schöne Effekte beim Zeichnen erzielen, indem man auf die Spitze drückt. Ihr Reservoir ist sehr klein.
• Metallfeder für Kalligraphie (5): nicht geeignet für Zeichnungen. Hat ein großes Reservoir.
• Glasfederhalter (6): seine runde Spitze ermöglicht eine 100% regelmäßige Linie ohne jegliche Dickenvariation. Der Federhalter ist schwer und ermöglicht ein leichtes Gleiten auf dem Papier zum Zeichnen. Er ist sehr angenehm in der Anwendung.
Wenn Sie sich dafür entscheiden, mit einer Feder zu zeichnen, müssen Sie diese mithilfe der kleinen Metallkerben in der Mitte eines Federhalters einsetzen, entweder in der Mitte oder an den Rändern. Die Metallfedern sind lang genug, um sie leicht im Federhalter zu befestigen.
Detail: Ich finde persönlich, dass ein lackierter Holzfederhalter bequemer ist als einer aus Metall (obwohl er mehr verschmutzt), weil er besser in der Hand liegt und das Holz die manchmal austretende Tinte aufnimmt, sodass er Ihnen nicht aus den Fingern rutscht.
Dann können Sie auf einem Blatt Papier Hatching und Linien zeichnen, um sich mit dem Werkzeug, seinem Behälter und der Tinte vertraut zu machen.
EINIGE ZEICHENTECHNIKEN FÜR CHINESISCHE TUSCHE
Für das gesamte Tutorial verwende ich Feder Nummer 1 und Filzstift Nummer 2.
Basierend auf der Zeichnung eines Baumblattes zeige ich Ihnen einige Zeichentechniken, die für dieses Medium geeignet sind. Eine kleine Übung, die ideal ist, um in Schwung zu kommen! Bereiten Sie Ihre Tintenfässer vor und los geht's :)
1/ Ich benutze meine Feder mit einem durchgehenden Strich und gleichmäßigem Druck. Ich vereinfache durch fast abstrakte Formen für ein elegantes Ergebnis.
2/ Ich wechsle zwischen einer durchgehenden Linie und kleinen Punkten oder Strichen. Diese Technik hat eine ästhetische Wirkung und ist leichter als die erste. Man kann die kleinen Punkte einsetzen, um einen Wechsel in der Dicke, im Licht, oder einfach nur, um eine interessante Variation zu schaffen.
3/ Ich mache mittelgroße, regelmäßige und saubere Schraffuren. Das Ergebnis wirkt sehr grafisch und ermöglicht es, durch Kontrastvariationen verschiedene Tonwerte darzustellen.
4/ Ich zeichne alle Linien meines Motivs, für eine sehr detaillierte Darstellung, ideal für eine Studie, eine technische oder wissenschaftliche Zeichnung.
5/ Ich konzentriere mich auf Kontraste und die Vereinfachung von Formen. Die Tuschezeichnung mit chinesischer Tinte ist ideal, da sie sehr tiefes Schwarz bietet.
6/ Ich konzentriere mich auf das Wesentliche, indem ich nur die Form behalte. Das ist eine nützliche Technik für kleine Elemente oder um weiter entfernte Elemente in einer Zeichnung darzustellen.
7/ Ich mische verschiedene Techniken. Übernehmen Sie den Zeichenstil, der Ihnen gefällt!
8/ Ich zeichne mit gepunkteten Linien. Das kann helfen, einen Farbverlaufseffekt zu erzielen.
EINE WEITERE ÜBUNG
Wenn ich einen Busch zeichnen möchte, gibt es hier verschiedene Darstellungen.
Auf der ersten Zeile, mit der Feder:
A/ Ich mische kleine Kreisbögen und abstrakte Formen, um Blätter anzudeuten.
B/ Ich zeichne konkret die Form der Blätter.
C/ Ich deute nur die Umrisse des Busches an.
Auf der zweiten Zeile kann man mit dem Filzstift auch verschiedene Darstellungen mit einem einzigen Werkzeug erreichen:
D/ Ich mische Kurven und Blattformen mit leichtem Druck des Filzstifts.
E/ Ich erzeuge schwarzes Volumen mit starkem Druck des Filzstifts.
F/ Ich ziehe kleine vertikale Striche und wende dabei mittleren Druck an, um die Form der Blätter nachzuahmen.
SCHRITT FÜR SCHRITT ZUR TUSCHEZEICHNUNG
Für diese Zeichnung verwende ich ein Foto eines Weges in einem ländlichen Dorf – darauf zu sehen sind ein Mädchen und ihre Großmutter, die in der Bildmitte den Weg entlanggehen. Leider finde ich das Referenzfoto nicht mehr, aber hier sehen Sie die fertige Zeichnung, damit Sie einen Eindruck von der Hochformat-Komposition bekommen.
1/ Zuerst beginne ich von unten nach oben zu zeichnen, indem ich mit dem Vordergrund beginne und darauf achte, meine Striche zwischen den Schritten etwas trocknen zu lassen. Hier ist der untere Teil der Zeichnung:
Ich zeichne Gräser und Steine mit einfachen Strichen. (Wir können später die Tinte auftragen und die Kontraste verstärken. So wird das Risiko verringert, dass das Bild beschmutzt wird, wenn man aus Versehen mit der Hand über Bereiche fährt, wo die Tusche noch nicht trocken ist.)
2 / Ich zeichne einen leicht hügeligen Weg mit der Technik des Wechsels zwischen Linien und Punkten, denn ich möchte keine Linien, die das Bild klar durchschneiden, sondern etwas Feineres und weniger Markantes.
3/ Mit meinem Filzstift zeichne ich auf beiden Seiten des Weges jeweils einen Busch. Dabei wechsle ich ab zwischen einigen Blättern, die ich mit einem Füller feiner und genauer zeichne, um auf der linken Seite eine unterschiedliche Dichte des Gebüschs darzustellen.
4/ Über der zweiten Linie zeichne ich das kleine Mädchen, das mit seiner Großmutter spaziert: Hier mische ich die Techniken: schwarze Flächen für die dünnen Beine des Mädchens, die ich mit einem Stift ausfülle, schräge Striche, um ihre Haare zu zeichnen, dann lange Linien für die Falten in der Hose der älteren Dame und ein kontrastierendes Tuch auf ihrem Kopf.
Ich lege auch mit feinen, verdünnten Tuschestrichen ihre Schatten auf den Boden, damit sie unauffällig bleiben.
5/ Ich zeichne die Grundlinien des kleinen Hauses hinter ihnen.
6/ Fokussieren wir uns auf diesen Bereich: ein kleines, niedriges Haus, umgeben von verschiedenem Grün, das über seine Wände klettert, sowie größeren Bäumen zu seiner Linken.
Ganz links auf der Zeichnung gibt es außerdem ein anderes, kaum sichtbares Haus, mit einem Strommast davor. Ich verwende abwechselnd Linien und weiße Räume für die Dächer und die Steinziegel.
Für die Bäume zeichne ich viele Blätter an den Konturen, aber im Herzen des Laubs werden die Striche seltener. Dort füge ich stattdessen kleine Texturen oder vereinzelte Punkte hinzu
7/ Auf der rechten Seite der Zeichnung setze ich Holzzäune, die mit Büschen gekrönt sind, gefolgt von weiteren Strommasten. Beachten Sie, wie ich die Texturen jedes Elements ändere, um sie gut zu unterscheiden. Da man sie nicht durch die Farbe unterscheiden kann, sind die Form und die Richtung der Linien wichtig.
8/ Ich nehme meinen Filzstift und füge in der oberen rechten Ecke einen Baum mit unsichtbarem Stamm im Vordergrund hinzu, dessen Blätter im Gegenlicht sind. Mit der feinen Spitze zeichne ich die Äste und dann, indem ich mit mittlerem Druck auf den Filzstift drücke, forme ich die Blätter.
Einen dicken, aber präzisen Filzstift wie diesen zu haben, hilft enorm dabei, mühelos diese organischen Formen zu zeichnen.
9/ Ich vervollständige den oberen Teil der Zeichnung: Ich ziehe die elektrischen Leitungen, die sich an den Masten treffen, sowie hohe Häuser, die fast komplett von einer dichten Vegetation verdeckt sind. Da diese Elemente im Hintergrund liegen, verwende ich hauptsächlich die Technik, nur die Konturen der Formen zu skizzieren. Hier gibt es keine starken Kontraste.
So sieht es auf meinem A4-Blatt aus:
KONTRASTE ZEICHNEN
10/ Zum Schluss passe ich die Kontraste der Zeichnung an.
Ich hatte bereits damit begonnen, am unteren Rand der Zeichnung die Schatten der Steine mit meinem Marker zu tuschen. Aber nun möchte ich, dass man die Unterschiede zwischen den Ebenen besser versteht, also schwärze ich auch die hohen Gräser am unteren Rand der Zeichnung.
Und schon ist das Bild fertig! Ich hoffe, Ihnen hat das Zeichnen mit chinesischer Tusche Spaß gemacht. Persönlich empfinde ich das Gleiten der Feder auf dem Papier sowie die Intensität des Schwarztons dieser speziellen Tinte als sehr angenehm.
Viel Spaß beim Zeichnen!
Illustratorin und Autorin: Vincyane