Der komplette Guide für erfolgreiches Character Design
In diesem Artikel zeigen wir Ihnen, wie Sie einen Charakter entwerfen und zeichnen – im professionellen Bereich spricht man dabei von Character Design (Charaktergestaltung).
Character Design bedeutet, einen Charakter von Grund auf zu erschaffen – sei es für einen Film, ein Spiel, einen Comic oder Ähnliches. Dabei gilt es, den Charakter inhaltlich zu definieren, ihm eine Persönlichkeit und Identität zu verleihen und anschließend sein Aussehen festzulegen.
Die Schritte, die Sie in diesem Artikel lernen, gelten für jeden Charaktertyp – ob Erwachsener, Teenager, Kind, jung oder älter, dünn oder kräftig. Sie können die Anleitung also für Ihren ganz eigenen Charakter nutzen, was ich Ihnen unbedingt empfehle. Am Ende werden Sie stolz darauf sein, einen von Ihnen selbst erschaffenen und gezeichneten Charakter in den Händen zu halten.
CHARAKTERIDENTITÄT ENTWICKELN
Bevor Sie eine Figur visualisieren und zeichnen können, müssen Sie ihr zunächst eine Identität verleihen – das heißt, eine Geschichte, einen Namen, ein Alter und weitere Details definieren.
Zuerst entscheiden Sie, ob es ein Mädchen oder ein Junge sein soll.
Ich persönlich zeichne gerne Mädchen, daher wähle ich für dieses Beispiel ein Mädchen. Außerdem bestimmen Sie das Umfeld, in dem Ihr Charakter lebt: realistisch, futuristisch, mittelalterlich, fantastisch, gruselig – ganz nach Ihrer Wahl.
Für dieses Beispiel wähle ich eine realistische Welt, unsere Gegenwart. Mein Ziel ist es, ein ganz normales Mädchen zu erschaffen – ohne besondere Kräfte oder außergewöhnliche Eigenschaften.
Nun geht es an die Identität. Sammeln Sie alle Wörter, die Ihnen spontan zum Charakter einfallen – ohne zu filtern oder zu überlegen, einfach frei assoziieren:
"Mädchen - Gymnasium - hübsch - ruhig - Familie - Mandel - Mathe - Auto - Europäerin - dynamisch - kastanienbraun - beliebt"
Aus dieser einfachen Liste werden wir eine Figur formen. Es geht darum, Gedanken in ein Bild zu übersetzen.
Ausgehend von diesen Begriffen zeichne ich ein junges Mädchen, eine Teenagerin, die aufs Gymnasium geht. Sie hat europäische Züge, mandelförmige Augen und kastanienbraunes Haar.
Sie ist ein beliebtes, selbstbewusstes Mädchen, ruhig und freundlich, sehr familienorientiert. Natürlich hübsch, aber sie hasst Mathe.
Trotz ihres hübschen Äußeren ist sie etwas burschikos und hat keine Scheu davor, sich die Hände schmutzig zu machen – denn sie liebt Mechanik und schraubt gern am Auto.
Jetzt braucht unser Charakter noch einen Namen, um ihr Leben einzuhauchen. Ich nenne sie Pauline.
MOODBOARD ERSTELLEN
Nachdem die Identität feststeht, widmen wir uns dem Aussehen.
Dafür erstellen wir sogenannte Moodboards. Für diejenigen, die das nicht kennen: Ein Moodboard ist eine Sammlung von Bildern, Zeichnungen, Objekten oder Wörtern, die als Inspiration für ein Projekt oder eine Idee dienen – hier speziell für das Character Design.
Vielleicht erscheint dieser Schritt unwichtig, aber er ist äußerst hilfreich, um die eigenen Referenzen gut zu organisieren. Große Produktionen wie Disney oder Pixar nutzen Moodboards täglich.
Das Arbeiten mit Referenzen ist essenziell, da letztlich alles auf bereits existierenden Dingen basiert.
Um gut strukturiert zu sein, habe ich für jede Kategorie ein eigenes Moodboard erstellt:
- Körperbau
- Augen
- Nase
- Mund
- Haare
- Kleidung
Die Moodboards für Augen, Nase und Mund habe ich gezeichnet, während ich für Haare und Kleidung Fotos aus dem Internet verwendet habe.
KÖRPERBAU DES CHARAKTERS
Für den Körperbau habe ich Moodboards sowohl für Frauen als auch für Männer erstellt, damit Sie auch Referenzen haben, falls Sie einen männlichen Charakter zeichnen möchten.
Sie wählen die Statur Ihres Charakters. Eine bekannte „Regel“ im Character Design lautet: Der Charakter ist oft das Gegenteil seines Aussehens.
Diese Regel wird vor allem bei Cartoons genutzt, kommt aber in vielen Produktionen vor, weil sie einer Figur mehr Identität verleiht.
Beispiel: In „Monster AG“ ist Bob klein, schlank, nervös und draufgängerisch, während Sully groß, kräftig und ruhig ist.
Wenn Sie eine Figur erschaffen, haben Sie zwei Möglichkeiten: Sie bedienen Klischees oder Sie brechen sie – wichtig ist, dass Sie ins Extreme gehen, um lebendige, keine flachen Figuren zu kreieren.
Mein Charakter sieht gepflegt und angenehm aus, hat aber einen starken Charakter und eine Leidenschaft für Automechanik – ein Kontrast zwischen äußerer Erscheinung und Persönlichkeit.
AUGEN, NASE UND MUND ZEICHNEN
Hier sind die Moodboards, die ich für die Augen, Nasen und Mund gemacht habe:
Diese Gesichtselemente sind entscheidend für den Ausdruck Ihres Charakters.
Kleine Augen mit spitzer Nase und schmalem Mund wirken ganz anders als große Augen, eine kleine runde Nase und ein großer Mund.
Wählen Sie deshalb sorgfältig aus und probieren Sie verschiedene Varianten aus. Vergessen Sie nicht: Der Ausdruck macht eine Figur lebendig!
DIE HAARE
Für Haare und Kleidung habe ich Fotos als Referenzen genommen, um reale Vorbilder zu haben.
Ich wollte welliges Haar mit Pony für meinen Charakter und habe passende Bilder ausgewählt.
Die Augen, Nasen und Münder habe ich stilisiert und Elemente aus verschiedenen Animationsfilmen als Vorlage genutzt.
DIE KLEIDUNG
Zum Abschluss das Moodboard der Kleidung.
Mein Charakter soll feminin wirken, was einen interessanten Kontrast zu ihrem burschikosen Charakter bildet.
Ich wählte ein schlichtes graues Top, eine schwarze Hochbundhose und Ballerinas.
EINEN WEIBLICHEN CHARAKTER ZEICHNEN - SCHRITT FÜR SCHRITT
Kommen wir zum spannenden Teil: dem Zeichnen.
Wir übertragen nun unsere Ideen aufs Papier.
Zuerst definieren wir die Pose. Soll sie dynamisch und beweglich sein oder eher ruhig und sanft?
Die Pose sollte das hervorheben, was Sie an Ihrem Charakter betonen möchten.
Ich entscheide mich für eine einfache, feminine Pose: Pauline steht leicht gebeugt mit einer Hand an der Hüfte.
Zeichnen Sie ein einfaches Skelett aus Linien (für Knochen) und Kreisen (für Gelenke).
Probieren Sie mehrere Posen aus, denn das geht schnell und hilft Ihnen, die beste Pose zu finden.
KÖRPER:
Nun zeichnen Sie den Körper, indem Sie die Bewegungen des Skeletts nachzeichnen und dabei die Statur berücksichtigen, die Sie mit Hilfe der Moodboards gewählt haben.
Hier legen Sie Pose und Figur endgültig fest.
Nehmen Sie sich Zeit, es ist besser, Fehler früh zu erkennen und zu korrigieren, als erst später.
KLEIDUNG:
Zeichnen Sie die Kleidung, basierend auf Ihrem Moodboard.
Ich habe mich für das einfache graue Top, die schwarze Hose und Ballerinas entschieden, passend zu Paulines Alter und Stil.
HAARE UND GESICHT:
Ich kombiniere verschiedene Frisuren aus meinem Moodboard, da mir an allen kleine Details gefallen haben.
Das Gesicht hat mandelförmige Augen, die Pauline direkt anschauen, einen schmalen Mund mit leichtem Lächeln – so, wie ich es bei der Identität festgelegt habe.
INKING DER ZEICHNUNG
Jetzt sind wir beim letzten Schritt: dem Inking.
Hier können Sie noch Änderungen vornehmen – idealerweise haben Sie das schon vorher getan.
Wer auf Papier arbeitet, sollte genau sein, da Tinte nicht gelöscht werden kann.
Digital haben Sie das Glück, Fehler so oft zu korrigieren, wie Sie möchten.
Ziehen Sie die Linien sauber nach, fügen Sie Details hinzu wie Kleidungsfalten oder Verzierungen – all die kleinen Elemente, die Sie vorher nicht gezeichnet haben.
Wenn Sie möchten, können Sie die Zeichnung anschließend kolorieren. Ich habe es bei der Linie belassen.
BRAVO! Sie haben Ihren eigenen Charakter erstellt !
Wenn Sie eine Karriere als Character Designer anstreben, beachten Sie: In der Regel sind Sie nur für das Zeichnen zuständig. Sie erhalten meist eine ausführliche Charakterbeschreibung und ein Pflichtenheft (manchmal auch ein Moodboard) und setzen diese Vorgaben um.
Eine völlig freie Gestaltung ist selten; die Entwicklung von Identität und Aussehen erfolgt meistens im Team während der Projektentwicklung.
Nichtsdestotrotz steht es Ihnen frei, Ihre eigenen Charaktere zu erschaffen – sei es für Illustrationen, Comics, Kurzfilme oder andere Projekte.
Erstellen Sie ruhig mehrere Charaktere, damit Sie immer eine Auswahl parat haben.
Redakteurin und Illustratorin: Coralie